Quiet Quitting: Liegt Dienst nach Vorschrift im Trend?
Ein neuer Trendbegriff geistert durch die Arbeitswelt – Quiet Quitting. Das bedeutet: Wir erbringen exakt die Leistung, für die wir auch bezahlt werden, und nichts darüber hinaus. Diese Personen nennt man Quiet Quitter.
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So mancher Mitarbeiter kennt dieses Phänomen: Wer freiwillig länger im Büro bleibt, wird in manchen Betrieben schräg angesehen. Schnell kommt dann die Frage auf: Fehlt es da etwa am Privatleben? In zahlreichen Jobs ist „Dienst nach Vorschrift“ gefragt. Dort werden Mitarbeiter gelobt, wenn sie dazu imstande sind, Vorgaben 1:1 umzusetzen, ohne übermäßig ehrgeizig zu sein bzw. die eigene Kreativität in höherem Maße zu bemühen.
Es gibt jedoch auch zahlreiche andere Branchen und Tätigkeitsfelder, in denen unbezahlte Überstunden zum guten Ton gehören. Zusätzliches Engagement wird hier nicht nur wertgeschätzt, sondern prinzipiell erwartet. Dieser Arbeitskultur sagen die Quiet Quitter den Kampf an.
Quiet Quitting – was bedeutet der Begriff?
Quiet Quitting bedeutet: Man leistet keine freiwilligen Überstunden, die im Arbeitsvertrag auch gar nicht vorgeschrieben sind. Ein Synonym für dieses Phänomen ist Soft Quitting.
Was Quiet Quitting bringt: Wenn die intrinsische Motivation des Arbeitnehmers nicht (mehr) ausreicht und er sich nicht ausreichend mit seinen Aufgaben identifizieren kann, dann kann das Quiet Quitting dabei helfen, wieder mehr Freude an der Tätigkeit zu haben. Zudem definierst du dich als Quiet Quitter als Person nicht komplett über deine Arbeit, sondern siehst deine Arbeitstätigkeit als einen Teilbereich im Leben, jedoch nicht als Hauptmerkmal. Heißt umgekehrt: Ein Jobwechsel erschüttert dich nicht in den Grundfesten deines Menschseins.
Ein Name, der mit dieser Bewegung in Zusammenhang gebracht wird, ist Allison Peck, eine Karriereberaterin in den USA. Sie ist dort mittlerweile zu einer der Anführerinnen der „Quiet-Quitting“-Bewegung der Gen Z geworden und ist auf Video-Plattformen in den sozialen Medien aktiv. Als Generation Z werden die Menschen bezeichnet, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren wurden. Ursprünglich jedoch wurde der Begriff „Quiet Quitting“ von Zaid Zeppelin, einem amerikanischen Ingenieur, populär gemacht. Sein erstes TikTok-Video zu diesem Thema, in dem er den Begriff verwandte, wurde über 3,5 Millionen Mal geklickt. Es ging im Sommer 2022 live. Seine Definition lautete wie folgt:
„Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr, als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“
Innere Kündigung = Quiet Quitting?
Seit längerer Zeit konnte man häufig Zeitungsartikel lesen, die über das Phänomen berichtet haben, dass Menschen anscheinend „innerlich gekündigt“, sich also von jeglichem Bezug zu ihrem Job verabschiedet hätten. Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter eine sich verfestigte, grundsätzlich negative oder resignierte Haltung zu seiner Arbeit eingenommen hat.
Aber Achtung: Auch wenn Quiet Quitting übersetzt „stilles Kündigen“ bedeutet, ist dies nicht mit dem Status „innerlich gekündigt“ gleichzusetzen.
Menschen, die Quiet Quitting praktizieren, die Quiet Quitter also, können ihren Job auch lieben. Sie sind jedoch nicht dazu bereit, nicht-vergütete Mehrarbeit zu leisten. Dies kann beispielsweise aus einem Gedanken heraus entstehen, dauerhaft leistungsfähig bleiben zu wollen, indem anhand des Nicht-zu-viel-Tuns einem Burnout oder einer schlechteren Arbeitsqualität vorgebeugt wird, die aus einer zu hohen Unzufriedenheit entstehen kann.
Die stille Kündigung – Unterschiede nach Bereichen
In Agenturen und bei Start-Ups: Jobs für Workaholics?
Viele Kreativ-Agenturen erwarten, dass Mitarbeiter ganz selbstverständlich Überstunden leisten, um das Arbeitspensum zu erfüllen, sodass die ungeduldigen Kunden zufrieden sind. Doch wenn Mitarbeitermangel herrscht, müssen Firmen, um leichter an neue Angestellte oder auch freiberufliche Mitarbeiter zu gelangen, inzwischen Benefits bieten. Und mittlerweile fordern Angestellte nicht nur monetären Ausgleich, sondern gerade der jungen Generation sind Dinge wie eine gesunde Work-Life-Balance und mentale Gesundheit wichtig. Eine quasi ausbeuterische Agentur hat es deshalb unter Umständen nicht mehr so leicht, Personal zu finden. Auch um Mitarbeiter langfristig zu halten, ist es wichtig, auf eine wertschätzende Behandlung mit ausreichend Respekt vor dem Individuum Wert zu legen.
Hier gilt: Keine Mehrarbeit!
In vielen anderen Jobs, in denen Arbeitsgesetze nach festem Schema angewandt werden bzw. werden müssen, gelten jedoch im Alltag ganz andere Regeln. Oftmals in der Verwaltung, aber auch in großen Wirtschaftsunternehmen wird akribisch auf die Einhaltung der Arbeitszeit geachtet. Überstunden sollen und dürfen nicht anfallen, und das wird auch so gelebt. Wie groß der Stress dann ausfällt, die anfallenden Arbeiten in der regulären Arbeitszeit zu stemmen, ist natürlich wieder ein anderes Thema.
Du hast die Wahl
Generell sollte an jedem Arbeitsplatz immer auch ein Schwätzchen mit dem Kollegen beim Einstands-Kuchen möglich sein, und das wird ja im Alltag auch von den meisten Chefs toleriert. Denn Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Angestellten sind sehr wichtige Faktoren der Mitarbeiterbindung an ein Unternehmen.
Wer den Bereich wechselt – z. B. von einer großen Patentanwaltskanzlei in einen Job in einer Marketing-Agentur –, der kann sich also plötzlich in einer komplett anderen Unternehmenskultur wiederfinden und dazu gezwungen sein, völlig anders zu denken: Eigene Kreativität ist plötzlich gefragt, und eventuell auch ganz viel eigenes Engagement, mitunter sogar in der eigentlichen Freizeit: privat weiterbilden, Blogs lesen und Kontakte pflegen. Doch auch andersherum ist eine Umstellung nicht von heute auf morgen geschehen. Im Endeffekt muss jeder Arbeitnehmer für sich herausfinden, welcher Typ er ist und wie er auf lange Sicht glücklich wird. Das Arbeitsumfeld sollte er sich dann dafür passend wählen, andernfalls wird es über kurz oder lang immer zu Konflikten kommen.
Mehrarbeit ist an der Tagesordnung
Doch wie sieht der Arbeitsalltag in Deutschland aus? Überstunden sind im Arbeitsleben durchaus nicht selten: Laut Statistischem Bundesamt haben im Jahr 2021 12 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Überstunden gemacht, sodass es sich bei den Überstunden-Berufstätigen um 4,5 Millionen Menschen handelt (vgl. destatis.de). Wenn du also jammerst, befindest du dich in bester Gesellschaft!
Artikel-Tipp: Wie finde ich den richtigen Job? Tipps vom Jobcoach
Der gesundheitliche Aspekt: Zu viele Überstunden machen krank
Auch wenn es erträglich sein kann, eine Weile lang Überstunden zu leisten, ist dies auf Dauer gesehen ein Faktor, der krank machen kann. Der Körper und der Geist brauchen ausreichend lange Ruhe- und Erholungsphasen. Leistet man in der Arbeit dauerhaft mehr als das, wofür man honoriert wird, steigt zudem die Unzufriedenheit. Auch die finanzielle Kehrseite der Medaille enttäuscht alle Beteiligten wie auch Familienmitglieder oder den Steuerberater, sodass Handlungsbedarf entsteht, etwas zu ändern. All das können gute Gründe für Quiet Quitting sein.
Quiet Quitting als Luxusproblem?
Klar ist jedoch auch: Die „stille Kündigung“ ist eine Sache, die sich auch nicht jeder leisten kann. Es gibt Lebenssituationen, in denen man schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen muss: Das BAföG ist aufgrund des zu langen Studierens weggefallen, man muss einen Kredit abbezahlen oder man benötigt einen Job, um eine Aufenthaltserlaubnis aufrechtzuerhalten – die eigene oder die einer anderen Person. In diesen Fällen ist man oftmals abhängig von seinem aktuellen Arbeitsverhältnis, und wird in diesem Mehrarbeit eingefordert, ist es schwer, dies zu verweigern. Andernfalls droht eventuell eine Kündigung.
Kein Arbeitsmodell für jeden
Selbstverständlich gibt es jede Menge Arbeitnehmer, die mit diesem Trend überhaupt nichts anfangen können. Vor allem Menschen, die sich voll und ganz mit ihrer beruflichen Tätigkeit identifizieren, also ihre Berufung leben, tun sich mit solch einem Ansatz schwer. Bei ihnen verschwimmen Privatleben und Arbeitsleben sowieso komplett, sie bilden sich selbstverständlich auch in ihrer Freizeit beruflich fort und sehen keinen Mehrwert darin, von Arbeitsthemen pünktlich zum Feierabend die Finger zu lassen.
Auch wer beruflich auf der Karriereleiter vorankommen möchte, wird es mit einer Quiet-Quitting-Einstellung schwer haben. Denn viele Führungskräfte sehen Mehrarbeit als Grundvoraussetzung dafür, dass sie eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter befördern.
Nachteile von Quiet Quitting
Nur noch das zu leisten, wofür man bezahlt wird, kann auch Nachteile bringen:
- Wer konsequent die Teilnahme an Firmenessen oder -events verweigert, macht sich bei niemandem beliebt und tut der eigenen Karriere keinen Gefallen. Deshalb ist es wichtig, ein gesundes Maß zu finden.
- Kritiker sehen in Quiet Quitting einen gefährlichen Rückzug aus dem Sozialleben ins Private. Unausgesprochen kann das zu Missverständnissen im Betrieb führen.
- Macht ein Kollege nur Dienst nach Vorschrift, kann das schnell zulasten der anderen Mitarbeiter gehen. Sie müssen im Team auffangen, was an Arbeit liegen bleibt.
- Beruflicher Erfolg kann enorm wichtig fürs Selbstbewusstsein sein und richtig guttun. Seine Chancen zu entdecken und zu nutzen, funktioniert manchmal nur mit dem gewissen „Mehr“ an Arbeit. Andersherum kann berufliches Dauerstagnieren auch zu Unzufriedenheit führen.
Fazit
In der Arbeit nicht nur das Nötigste, sondern das Erforderliche leisten – am besten bei Qualitätsmaximum! Mit dieser Maxime kann Quiet Quitting funktionieren. Wer sich an die vereinbarten Arbeitszeiten hält und gleichzeitig Wert auf ein Maximum an Arbeitsqualität legt, erzielt gute Resultate – und das gefürchtete Burnout lässt sich nicht sehen. Es gibt jedoch auch alternative Modelle, seine Arbeitsbelastung zu reduzieren: zum Beispiel die Vier-Tage-Woche oder generell eine Anstellung in Teilzeit.
Quellen:
destatis.de, deutschlandfunkkultur.de, ndr.de
FAQs
Quiet Quitting bedeutet, dass man keine Überstunden in der Arbeit leistet und exakt nur die Wochenstunden arbeitet, die im Arbeitsvertrag festgehalten sind und für die man Lohn erhält.
Quiet Quitting gilt als Trend der Generation Z. Damit sind Menschen gemeint, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren wurden. Viele der Quiet Quitter wollen sich nicht allein über ihren Beruf oder ihre Arbeitstätigkeit definieren, sondern ihnen sind ihre Freizeit und ihr Privatleben mindestens genauso wichtig. Ihr Wert als Mensch soll nicht von ihrer Produktivität abhängen.
Das hängt von deiner Lebens- und Arbeitseinstellung ab. Menschen, die im Job ihre Berufung gefunden haben, werden vermutlich keine Quiet Quitter werden. Wenn du aber Wert auf ein ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit legst und dir Familie, Freunde und Hobbies sehr wichtig sind, könnte das durchaus eine Option für dich sein.
Quiet Quitting kann auch Nachteile mit sich bringen. Zum Beispiel wirst du langsamer auf der Karriereleiter vorankommen, wenn du immer pünktlich den Stift fallen lässt. Außerdem kann es zu Unstimmigkeiten im Team und auch Missverständnissen innerhalb des Arbeitsverhältnisses kommen. Schließlich kann es dich auch dauerhaft unzufrieden machen, wenn du beruflich nicht vorankommst und dich in deinem Job langweilst.
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Joana hat Germanistische Linguistik und Musikwissenschaft an der LMU studiert und ist als externe Redakteurin für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de tätig.