#FehlamPlatz: Wie finde ich den richtigen Job? Tipps vom Jobcoach
Den richtigen Job zu finden ist eine Lebensaufgabe – und glückt leider nicht immer. Warum ist es so schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden, in der man sich rundum wohlfühlt? Wir haben bei Jobcoach Matthias Greiner nachgefragt. Er hat spannende Tipps auf Lager, mithilfe derer der Jobwechsel richtig gut gelingen kann.
Nach der Schule entscheiden wir uns für eine Ausbildung oder einen Studiengang. Anschließend verbringen wir drei bis fünf Jahre Minimum mit Lernen und/oder dem Sammeln erster Arbeitserfahrung. Spätestens dann geht es ab ins klassische Berufsleben, in die Jobpraxis.
Und dann?
Was passiert, wenn wir plötzlich feststellen, dass wir uns #FehlamPlatz fühlen?
Vielleicht entspricht unsere Vorstellung des Berufsalltags nicht der Realität? Oder wir merken, dass in der Jobpraxis Talente, Eigenschaften oder Charakterzüge gefragt sind, die wir nicht besitzen oder nicht an den Tag legen wollen?
Was nun? Jobcoach Matthias Greiner kennt diese Problematik aus dem Lebensalltag seiner Klientinnen und Klienten. Was rät er ihnen? Wie findet man sich in dieser Situation zurecht? Und wie gelingt der Weg in den richtigen Job?
Viele Fragen. Hier kommen die Antworten – von Jobcoach Matthias Greiner, mit dem wir zu diesem Thema ein Interview führen durften.
Matthias Greiner hat mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung im Personalwesen. Er ist Recruiter, Systemischer Business Coach (SHB) sowie Professional für Personalmarketing und Onlinemarketing (BVDW).
Als „DeinJobCoach“ begleitet er Arbeitnehmer auf ihrem Karriereweg in die Zukunft.
„Was sind die häufigsten Gründe für Unzufriedenheit im Job?“
„Es sind oft Gründe, die unsere ureigenste Eigenschaft als Mensch berühren und die bei uns ein Unwohlsein am Arbeitsplatz hervorrufen. Dabei muss jeder selbst unterscheiden, ob es sich bei einer Unstimmigkeit im Team nur um einen flapsigen Kommentar eines Kollegen handelt, der vielleicht gerade im Stress ist, oder ob in der Firma generell eine Kultur herrscht, die dem eigenen Wunsch, als Mensch akzeptiert zu werden, vollkommen widerspricht. Manchmal dominiert eine abwertende Haltung jedoch nicht in der ganzen Firma. Wenn es „nur“ die eigene Abteilung sein sollte, kann man daher auch gut überlegen, ob nicht ein firmeninterner Wechsel sinnvoll ist.“
„Welche konkreten Themen veranlassen die Menschen, ins Grübeln zu kommen, ob der aktuelle Job der Richtige ist?“
„Aus den Gesprächen mit meinen Klientinnen und Klienten bekomme ich mit, dass es sich immer wieder um dieselben Themen handelt, wie zum Beispiel fehlende Anerkennung. Meist geht es dabei eher um die Anerkennung als Mensch, also welche Bedürfnisse habe ich als Mensch. Das Geld spielt bei der fehlenden Anerkennung eher die Funktion eines Wasserstandmelders, der mir zeigt, dass etwas nicht passt. Die mangelnde Anerkennung geht aber meist tiefer.
Vielen Menschen ist es wichtig, gerade im Arbeitsumfeld die eigene Wirksamkeit zu spüren, um sich als Mensch und als Mitarbeiter bestätigt zu fühlen, die eigene Kompetenz zu erleben.
Sollte man nicht den Eindruck haben, dass man etwas bewirken kann, fehlt vielen Menschen die grundsätzliche Bestätigung im Arbeitsleben.
Ein sehr grundsätzlicher Anlass für Unzufriedenheit im Job ist für Menschen der fehlende Match zur Aufgabe. Da stellt sich die Frage, liegt es an einer konkreten Fähigkeit, die du dir aneignen könntest, oder geht es darum, dass die Tätigkeit deiner ganzen Persönlichkeit widerspricht. Die Antwort darauf ist sehr wichtig, um zu überlegen, wie man weiter vorgehen möchte.“
„Wie kann es zu so einem fehlenden Match kommen?“
„Ein fehlender Match zur Aufgabe kann sich auch im Laufe der Jahre eingestellt haben. Dies kann der Fall sein, wenn du über die Herausforderungen deiner aktuellen Position hinausgewachsen bist. Dann fühlst du dich jetzt bereit und motiviert für den nächsten Schritt in deiner Karriere. Bei engagierten Arbeitgebern, die sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeitenden einen Wachstumskurs planen, gibt es hier regelmäßige Karriereentwicklungsgespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, oftmals unter Beteiligung der Personalabteilung.
Wenn das bei dir nicht der Fall sein sollte, kannst du beginnen, dir selbst Gedanken zu machen. Wie könnte dein nächster Schritt im Unternehmen aussehen? Was sagen deine Kollegen und Kolleginnen: Ist der Arbeitgeber offen für Wünsche der Mitarbeiter nach persönlicher Entwicklung? Wenn sich hier keine Tür auftut, kann der nächste Schritt auch in ein anderes Unternehmen führen. Dieses bietet einem dann vielleicht die gewünschte Wachstumsperspektive.“
„Spielt das Thema Work-Life-Balance auch oft eine Rolle?“
„Man spricht immer häufiger von der Gleichzeitigkeit von Arbeitswelt und Privatleben. Viele Menschen wollen beides erreichen können: sich in der Arbeitswelt verwirklichen, aber auch ein erfülltes Privat- und Familienleben führen. Das bedeutet oft, aus klassischen Rollenbildern in Beruf und Familie auszubrechen, um eine Vereinbarkeit zu realisieren. So will der Mensch, der Karriere machen will, eben auch seine Kinder vom Volleyballtraining abholen. Manche Arbeitgeber gehen diesen Schritt zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt mit. Andere Arbeitgeber leben noch das Ethos von „Work First“. Diese Diskrepanz in den Vorstellungen löst bei etlichen Menschen Unzufriedenheit aus. Manchmal gehen Arbeitgeber auf Nachfrage dann doch auf berechtigte Wünsche der Mitarbeitenden ein. Doch oftmals hilft es nur, sich auf dem Arbeitsmarkt neu zu orientieren und schauen, was der Stellenmarkt einem bietet, um Berufs- und Privatleben vereinbaren zu können.
Artikel-Tipp: Hilfe, mein Arbeitgeber verweigert Homeoffice!
„Was raten Sie Klienten, die sehr unglücklich in ihrem Job sind? Am besten gleich zu kündigen, damit man den Kopf zur Selbstfindung frei hat?“
„Ich rate hier gerne, erstmal für sich selbst zu klären: Welcher Faktor ist es denn, der dich unzufrieden macht. Ist es die Aufgabe an sich oder ist es das Arbeitsumfeld? Hast du selbst einen Einfluss auf deine Unzufriedenheit? Kannst du steuernd eingreifen? Wo liegt deine eigene Wirksamkeit?
Ein Tipp: Kündige nicht in einer hitzigen Phase als Kurzschlussreaktion.
Man rät auch in Streitsituationen, durchzuatmen und bis 10 zu zählen. Ähnliches empfehle ich hier. Dann ist es hilfreich, sich eine vertrauenswürdige Außenmeinung holen: ein guter Freund, oder auch ein Coach, der mit einem die Situation durchleuchtet. Dabei sollte man sich überlegen, was das Gute in der jetzigen Situation ist und was man unbedingt beibehalten will.
Darauf aufbauend empfehle ich, nachzudenken und sich auszumalen, wie die ideale Situation für einen selbst aussähe. Wenn du gerne kreativ bist, kannst du auch wirklich ein Bild malen, um mit deinen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Du kannst auch einen Brief aus der Zukunft an dich selbst schreiben: Wie hat sich dein Weg entwickelt, nachdem du die „richtige“ Entscheidung für dich selbst getroffen hast, was hast du dann erlebt? Dabei ist der Trick, dass du gar nicht darüber nachdenkst, wie die „richtige“ Lösung aussehen soll. Versetze dich stattdessen in die Situation, wie es sich nach einer guten Entscheidung anfühlt.
Dann kommst du allmählich zu einer Entscheidungsfindung. Soll es ein neuer Job werden oder willst du in deiner jetzigen Situation etwas ändern? Willst du eventuell das konstruktive Gespräch mit einem Vorgesetzten suchen? Auch hier kann eine gründliche Vorbereitung mit einem guten Freund helfen.
Wenn du in ein Gespräch mit deiner Führungskraft gehst, versuche konstruktiv aufzutreten und Lösungen aufzuzeigen. Lege dar, welchen weiteren Mehrwert du für das Unternehmen an einer anderen Position bringen kannst. Kommst du zu dem Entschluss, dir einen neuen Arbeitgeber zu suchen, dann ist diese Frage wichtig: Willst du vor allem das Umfeld wechseln und in einer ähnlichen Aufgabe weiterarbeiten? Oder suchst du konkret die neue Herausforderung durch andere Aufgaben bzw. mehr Verantwortung?“
„Also gut, der alte Job passt nicht. Aber wie findet man am besten heraus, welcher Job der richtige ist? Gibt es einen Königsweg?“
„Ich empfehle einen Blick voraus, um in deine Visionen hineinzufinden:
Welche Kraft ruht tief in dir, etwas bewegen zu wollen. Woraus zehrst du deine Energie?
Und wenn die Vision ist, Rentiere in Schweden zu züchten, kannst du weiter überlegen: Was ist das Gute an diesem Ziel, was soll ein zweitbestes Ziel unbedingt enthalten? Wenn es aber unbedingt die Rentiere in Schweden sein sollen, dann kannst du konkreter werden. Welche Zwischenschritte braucht es für dich, bis du dein eigentliches Ziel ansteuern kannst? In diesem Fall vielleicht: einen Job in Deutschland in der Landwirtschaft suchen, Kurse über Viehzucht belegen und Schwedisch lernen.
Aber auch der Blick zurück hat eine wichtige Funktion: Welchen Weg bist du bisher gegangen, erkennst du einen roten Faden? Welche Konsequenz ziehst du daraus? Hast du Erfolge erreicht und welche Täler erfolgreich durchschritten? Was für Fähigkeiten hast du dabei bewiesen oder dir auch neu angeeignet? Wie ging es dir in den verschiedenen Situationen, was hat dich beflügelt? Man findet dies detailliert ausgeführt unter den Stichworten Kompetenzbilanz und Biographiearbeit in den Büchern von Claas Trebel, allen voran ein Buch für Coaches: ‚Wer bin ich, was kann ich, was will ich?‘.
Auch sehr interessant ist es zu ergründen, in welchen Arbeitsumgebungen du dich bislang wohlgefühlt hast. Was brauchst du von deinem Umfeld, um dich wertgeschätzt zu fühlen? Denn: So verschieden wir Menschen sind, so unterschiedlich sind die Belange, die uns wichtig sind, um uns wohlzufühlen.
Und dann legst du die Ergebnisse aus dem Blick zurück und die Vision nebeneinander und überlegst, welches Angebot für den Arbeitsmarkt du daraus ableiten kannst und wem du dieses Angebot unterbreiten willst. Und noch einige ergänzende Gedanken solltest du dir machen, zum Beispiel: Mit welchem Wertegerüst soll dieses neue Arbeitsumfeld für dich ausgestattet sein? Was brauchst du bei einem neuen Arbeitgeber, damit du deine Stärken entfalten kannst?
Mit diesen Gedanken und Überlegungen bist du gut für die Jobsuche und auch für ein Vorstellungsgespräch ausgerüstet.“
„Auch wenn zu wenig Geld nicht immer der Grund für einen Jobwechsel ist: Eine Rolle spielt die Höhe des Verdienstes bei diesem Thema doch schon, oder?“
„Sicher. Schließlich gehen die meisten nicht nur aus Liebe zur Tätigkeit und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung in die Arbeit. Ich habe eingangs die Aussage getroffen, dass eine Missstimmung über zu geringe Bezahlung nur eine Wasserstandsmeldung sei und auf tiefer liegende Aspekte hinweisen würde, die für einen nicht passen in der Arbeitsstelle. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns gerade bei einem Jobwechsel auch Gedanken über das gewünschte Einkommen machen sollen. Dabei sehe ich zwei verschiedene Schwellen:
Die unterste Schwelle ist sicherlich das, was man braucht, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Aber darüber sehe ich noch eine zweite Schwelle. Bei welcher Einkommensgrenze beginnst du dich wohl und geschätzt zu fühlen? Hierzu solltest du dich einerseits informieren, zum Beispiel darüber, was denn gerade die Marktpreise für Kandidaten mit deinem beruflichen Hintergrund sind. Dann spielt bei dieser oberen Schwelle aber andererseits auch dein persönliches Befinden mit hinein. Neben dem reinen Gehalt sollte man auch alle weiteren Zusatzleistungen, die angeboten werden, betrachten. Um beim Gehalt zu einem runden Bild zu kommen, hilft es auch in der Orientierungs- und Bewerbungsphase mehrere Vorstellungsgespräche zu führen, um einen Eindruck vom Marktwert zu erhalten. Ebenso bietet ja auch stellenanzeigen.de Hintergrundinformationen zu Berufsbildern in Ihrem Karrieremagazin careeasy.“
„Manchmal ist es ja gar nicht so einfach, Stichwort ‚right skills, wrong job‘. Welche Möglichkeiten hat man, wenn man zwar die richtigen Fähigkeiten für den Beruf hat, aber der Job einfach ‚falsch‘ ist?“
„Ich empfehle dabei folgende Schritte. Mache dir hierzu Gedanken:
Schritt 1: Kannst du selbst deine jetzigen Arbeitsbedingungen steuern, kannst du entscheiden, wo du Schwerpunkte setzt? Ist es dir möglich, deinem Chef oder deiner Chefin Vorschläge aktiv zu unterbreiten, beispielsweise dass du gerne für ein anderes Projekt Verantwortung übernehmen würdest?
Schritt 2: Könntest du intern in eine neue Aufgabe wechseln? Der Quereinstieg in einen anderen Bereich ist intern meist leichter als extern.
Schritt 3: Erarbeite zunächst deine Markpositionierung, wie eingangs dargelegt, und gleiche dies mit den Stellenangeboten in den Jobbörsen ab. Nicht zu vergessen ist auch das lebenslange Netzwerken über Business Netzwerke, neben der aktiven Jobsuche über Online Stellenmärkte.“
„Wie schätzen Sie persönlich die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt für einen Jobwechsel ein?“
„Der Arbeitsmarkt ist sehr wechselfreudig und arbeitnehmerfreudig. Ein konkretes Indiz dafür: Sehr viele Arbeitgeber suchen gerade Recruiter, also Mitarbeitende in den Personalabteilungen, die für die Suche nach neuen Kollegen und Kolleginnen zuständig sind. Die demographische Entwicklung bringt uns als Gesellschaft in die Situation, dass in vielen Bereichen Fachkräftemangel herrscht. Dennoch gibt es auch heute viele Unternehmen, die immer noch auf den 1,0-er-Kandidaten mit drei Fremdsprachen warten. Mein Tipp dazu: Lass diese Unternehmen warten und sondiere weiter den Arbeitsmarkt.
Es gibt immer mehr Arbeitgeber, die inzwischen bereit sind, mit Kandidaten und Kandidatinnen auf Augenhöhe zu sprechen.
Ein Satz noch zu den weltweiten, großen Entlassungswellen bei führenden IT-Unternehmen. Die Fachpresse schreibt hier davon, dass sich ein überhitzter Markt mit überzogenen Erwartungen an die Markt-Entwicklungen selbst bereinigt. Daher sollte man sich davon nicht beirren lassen und bei seinen Plänen bleiben. Sei es nun die App-Entwicklung in einem Start-up oder doch die Rentierzucht in Schweden.“
„Herzlichen Dank für das Gespräch!“
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Veronika ist Redakteurin und Content-Managerin. Sie hat Kommunikationswissenschaften, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Französische Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und ist bereits über 15 Jahre journalistisch in Print und online unterwegs. Für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de recherchiert und schreibt Veronika zu Themen rund um Studium & Ausbildung, Karriere, Gesundheit im Job und Arbeitsrecht.