Zoom-Fatigue: Dauerhaft erschöpft durch Videokonferenzen
Immer mehr Büroangestellte arbeiten auch dauerhaft im Homeoffice. Ihre Meetings finden dann online statt, als Videokonferenzen. Mit dem Anstieg derselben lässt sich ein relativ neues Phänomen in den heimischen Büros beobachten: Zoom-Fatigue. Damit bezeichnet man einen Erschöpfungszustand durch Online-Besprechungen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Zoom-Fatigue?
Sicherlich gab es die sogenannte „Zoom-Fatigue“ auch schon vor der Corona-Pandemie. Doch dadurch, dass plötzlich so viele Mitarbeiter weltweit ins Homeoffice geschickt wurden, entstand plötzlich eine breite Masse an Arbeitnehmern, die täglich mit sehr vielen Videokonferenzen konfrontiert war. Nun ist das Problem also großflächig in der Arbeitswelt angekommen.
Unter „Zoom-Fatigue“ versteht man einen Ermüdungs- bzw. Erschöpfungszustand nach zahlreichen virtuellen Meetings. Er kann mit schmerzenden Augen, Konzentrationsschwierigkeiten und dem Bedürfnis nach Alleinsein einhergehen.
Laut Untersuchungen des ibe (Institut für Beschäftigung und Employability) Ludwigshafen von September bis Dezember 2020 wird Zoom-Fatigue zunächst durch folgende Ausprägungen im Verhalten sichtbar:
-
- reduzierte Konzentrationsfähigkeit
- Fahrigkeit
- Ungeduld
- erhöhte Reizbarkeit
- fehlende Ausgeglichenheit
- genervt sein
Später können jedoch auch körperliche Beschwerden hinzukommen. Dazu zählen:
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
- Gliederschmerzen
- Schlafstörungen
- Magenschmerzen
- Sehstörungen
Die kompletten Studien zur Zoom-Fatigue des ibe Ludwigshafen findest du hier.
Stanford Studie: Frauen sind stärker betroffen
Nimmst du selbst mehrmals wöchentlich oder vielleicht sogar mehrmals täglich an virtuellen Meetings teil, hast du es bestimmt bemerkt: Manchmal fühlt man sich nach einer Videokonferenz ganz schön ausgelaugt. Und das, obwohl man eigentlich gar nicht so viel beigetragen hat oder es fachlich nicht sonderlich fordernd war. Trotzdem lässt einen solch ein Meeting oftmals irgendwie erschöpft zurück.
An der Stanford University veröffentlichte nun ein Team um den Professor Jeffrey Hancock im April 2021 eine spannende Studie zu dem Thema. Die Wissenschaftler befragten dafür online über 10.300 Probanden, die häufig via Videokonferenzen mit den Kollegen korrespondieren. Dafür benutzten sie ihre „Zoom Exhaustion and Fatigue Scale“. Jeder Teilnehmer schätzte sich und seinen Erschöpfungszustand nach Videokonferenzen selbst ein.
Die Wissenschaftler konnten auch bei ihren Befragten diese Art der speziellen Erschöpfung feststellen. Interessant ist vor allem ein doch signifikanter geschlechtsspezifischer Unterschied, was die „Zoom-Fatigue“-Empfindung betrifft: Deutlich mehr Frauen gaben an, von dieser Erschöpfung stärker betroffen zu sein. Im Detail bedeutete dies:
- Eine von sieben Frauen (13,8 %) gab an, „sehr“ oder „extrem erschöpft“ nach einem Video-Call zu sein, während nur
- einer von zwanzig Männern (5,5 %) dasselbe benannte.
Und: Generell fühlten sich jüngere Menschen schneller erschöpft als ältere.
Wie und warum entsteht Zoom-Fatigue?
Doch wodurch entsteht dieses Erschöpfungsgefühl? Vermutet wird, dass es ganz direkt mit der ständigen optischen Selbstwahrnehmung zu tun hat. Denn ein Merkmal dieser Videokonferenzen ist, dass man nicht nur seine Kollegen, sondern auch sich selbst immer auf dem Monitor oder Display vor Augen hat. Und das stresst wohl manch eine(n) mehr, als man meinen möchte.
Im Fokus steht hier die sogenannte „selbstzentrierte Aufmerksamkeit“. Und augenscheinlich machen sich Frauen mehr Gedanken darüber, wie sie bei einer Videokonferenz rüberkommen. Man ist ja während eines Online-Meetings nicht nur permanent der Beobachtung anderer ausgesetzt, sondern sieht das eigene Bild auch die ganze Zeit selbst. Und das kann wohl zu vermehrtem Stress führen, der anstrengt und in der Folge Ermüdung hervorruft.
Während man sich im virtuellen Raum befindet, achtet man sowohl auf die Bilder der anderen Personen als auch auf sein eigenes Spiegelbild. Frauen strengt das vermutlich im Schnitt noch mehr an als Männer. Sie machen sich vermehrt Gedanken darüber, wie die Frisur sitzt, welcher Hintergrund aus dem Homeoffice zu sehen ist und welchen Eindruck sie durch ihr Äußeres bei den anderen Meeting-Teilnehmern machen. Sie sind wohl prinzipiell mehr „spiegelfixiert“. Das kann in diesem Fall irgendwann zu einer Belastung werden. Denn nimmt diese Selbstbeobachtung und damit auch permanente Selbstkontrolle überhand, geht das in Online-Meetings so weit, dass sie irgendwann die inhaltliche Kommunikation überlagert bzw. verdrängt. Der ständige Selbstfokus kann außerdem negative Gefühle auslösen. Die Wissenschaftler sprechen sogar von einer Art „Spiegel-Angst“.
Die Forscher konnten auch feststellen, dass vor allem Frauen in Video-Audio-Meetings vermehrt auf nonverbale Kommunikationssignale verzichten. Sie kontrollieren sich und ihr Verhalten sehr stark in Online-Konferenzen.
Männer hingegen kratzen sich öfter mal hinter dem Ohr, schnäuzen sich laut oder stützen genervt den Kopf auf – egal, ob die Kamera an oder aus ist.
Die Forscher notierten interessanterweise auch, dass Frauen wohl längere Meetings und auch weniger und kürzere Pausen zwischen den Online-Konferenzen hatten. Auch das erhöht vermutlich den Stressfaktor und die Belastung. Speziell auch für die Augen ist ununterbrochene Zeit vor dem Bildschirm auf die Dauer sehr anstrengend.
Wie kann man Zoom-Fatigue vorbeugen?
Die gute Nachricht: Es gibt durchaus Möglichkeiten, diesem speziellen Phänomen der Müdigkeit oder Erschöpfung entgegenzuwirken. Und diese sind zum Teil sogar richtig simpel.
Hier ein paar Tipps, wie man der Zoom-Müdigkeit vorbeugen kann:
- Adé Eitelkeit! Auch wenn es dich Überwindung kostet: Deaktiviere doch einmal die eigene Bildanzeige im Online-Meeting. Dann siehst du dich selbst nicht mehr und unterliegst nicht der Versuchung, dein Äußeres permanent selbst zu überprüfen und zu kontrollieren. Das entspannt manche Menschen ungemein.
- Video nur, wenn es sein muss: Du kannst deine Videozeit auch einfach beschränken, indem du immer nur dann dein Video für alle sichtbar machst, wenn du sprichst. Auch das kann die Belastung reduzieren.
- Videofreie Meetings: Bestimmte Meetings im Unternehmen können generell ohne Bild durchgeführt werden. Auch das kann den Stresspegel senken. Indem sich dein Gehirn nur auf akustische Signale fokussieren muss, ist dann oftmals mehr Konzentration fürs Inhaltliche vorhanden.
- Oder aber man legt in einer Firma diejenigen Wochentage fest, an denen interne Meetings generell ohne Bildübertragung abgehalten werden.
- Pausen helfen ebenfalls: Achte darauf, zwischen den einzelnen Meetings Pausen von mindestens 10 Minuten einzulegen. Idealerweise bewegst du dich in diesen kurzen breaks, stehst auf, holst dir etwas zu trinken und entfernst die Augen vor allem auch vom Bildschirm. Solch eine kurze digitale Sendepause ist wichtig, um abzuschalten und sich danach auf ein neues Thema zu fokussieren.
- Vielleicht machst du jedoch zunächst auch einfach mal einen kurzen Selbstcheck: Mit dem Fragebogen der Stanford University kannst du herausfinden, wie hoch dein persönlicher Zoom-Fatigue-Scale aktuell ist.
Fazit
Die Zoom-Fatigue ist sicherlich ein Zeichen unserer Zeit, das erst in der Coronakrise großflächig auftauchte. Sie zeigt, was man in der Theorie eigentlich schon vermutet hat: Auch ein Übermaß an Digitalem und Virtuellem kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Wie mit allem Neuen muss man vermutlich auch bei Videocalls erst lernen, wie und in welchem Ausmaß man das Instrument möglichst gewinnbringend und effektiv im Arbeitsleben einsetzt. Nicht zu verwechseln ist die Zoom-Fatigue allerdings mit der allgemeinen Online-Müdigkeit: Letztere beschreibt schlicht und ergreifend den Überdruss an virtuellen Treffen, den wir wohl in der Coronakrise fast alle empfunden haben. Sie lässt sich ganz einfach durch ein paar reelle Begegnungen im Arbeitsumfeld abwenden.
Quellen:
ibe-ludwigshafen.de, news.stanford.edu
Aktuelle Jobangebote
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.
Veronika ist Redakteurin und Content-Managerin. Sie hat Kommunikationswissenschaften, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Französische Sprachwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und ist bereits über 15 Jahre journalistisch in Print und online unterwegs. Für careeasy – Dein Karriere-Magazin von stellenanzeigen.de recherchiert und schreibt Veronika zu Themen rund um Studium & Ausbildung, Karriere, Gesundheit im Job und Arbeitsrecht.