Selbstverständlich haben wir Eltern es alle schon einmal getan: Home-Office mit Kind. Als arbeitende Mutter oder berufstätiger Vater muss man eben spontan sein und oft auch improvisieren. Momentan gehört Home-Office-Arbeit plus Kinderbetreuung (und optional Homeschooling-Support) ja sogar zum Normalzustand bei vielen. Doch diese gedankliche Verknüpfung zwischen Home-Office und zeitgleich Kinder at home sollte sich gar nicht erst verfestigen in unseren Köpfen. Denn so war und ist Home-Office eigentlich nicht gedacht.

Zeit, um einmal etwas klarzustellen.

Sowohl den Arbeitnehmern als auch den Arbeitgebern sollte bewusst sein: Home-Office plus Kinderbetreuung nebenher ist keine Alternative. Es darf generell nie mehr als eine kurzfristige Notlösung sein. Spätestens jetzt in der Coronapandemie wird das hoffentlich auch dem letzten klar, denn die aktuelle Doppelbelastung, die viele schultern, ist immens. Und wird zudem leider wieder in erster Linie auf dem Rücken der Frauen abgeladen.

Home-Office als Notlösung

Home-Office ist doch super: Wenn gerade mal keine Betreuung geöffnet hat, kann man nebenher gleich noch den Nachwuchs betreuen. Stichwort sechs Wochen Sommerferien im Hort, oder 35 Schließtage der Kita pro Jahr. Lange Zeit war diese Denkweise auch bei Eltern gar nicht so unüblich.

Doch ein modernes Verständnis von Home-Office geht diesen Weg nicht mit.

Denn Home-Office sollte mittlerweile mehr sein als nur eine Notoption aufgrund geschlossener Kindertagesstätten. Die aktuellen Signale aus der Wirtschaft lassen zumindest auch ein wenig in diese Richtung hoffen, Stichwort „Recht auf Home-Office“. Und andersherum gedacht: Wer würde schon auf die Idee kommen, seinen Nachwuchs einfach mal ins Büro mitzunehmen, wenn alle alternativen Betreuungsmöglichkeiten nicht funktionieren? Wohl eher: niemand.

Wichtig ist dabei, sich ein paar grundlegende Dinge klarzumachen und auch alte Denkmuster à la „das geht schon irgendwie“ abzustreifen. Auf die Dauer ist Arbeiten plus Kinderbetreuung zuhause eine Doppelbelastung, die weder für den Arbeitnehmer noch dessen Kinder optimal ist. Denn ein Kind, das lernt, dass Warten und Stillhalten die beiden von Mama oder Papa bevorzugten Top-Eigenschaften sind, lernt nicht wirklich fürs Leben. Eher langweilt es sich und kommt auf saudumme Ideen. Hinzu kommt: Leiden Wohlbefinden und Arbeitsleistung des Mitarbeiters aufgrund der nervlich fordernden Situation, wird sich das langfristig auch nachteilig auf die Ziele des Arbeitgebers auswirken.

Arbeitszeit ist Arbeitszeit

Natürlich bringt das Arbeiten im Home-Office einen großen Vorteil für Eltern mit sich: die zeitliche Flexibilität. Je nach Arbeitszeitmodell und Vereinbarung mit dem Arbeitgeber kann man sich seine Arbeitszeiten nun frei einteilen, und diese optimal an die Betreuungszeiten des Nachwuchses anpassen. Das bedeutet für viele Familien eine sehr große Entlastung im Alltag. Dadurch, dass auch der Arbeitsweg entfällt, bleibt zudem mehr Zeit für Familie, Freizeit oder Arbeit.

Home-Office kann aber immer nur ein Baustein einer familienfreundlicheren Arbeitswelt sein. Es ist nicht der Heilsbringer schlechthin und sollte auch nicht dazu gemacht werden. Es bedarf durchaus weiterer Werkzeuge, um die Vereinbarung von Arbeit und Familie zu optimieren. Eine angemessene und realistische Zahl an Kinderkrankentagen zum Beispiel, auch für Alleinerziehende, und ein entsprechendes Pendant für Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen. Aber auch weniger starre Kita-Modelle mit variableren Schließtagen. Flexibilität in der Praxis im Arbeitsleben und das Bewusstsein bei den Arbeitgebern, dass es nur gesund ist, wenn manchmal auch das Private an erster Stelle steht.

Parallel dazu ist aber auch eine klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Privatzeit wichtig. Vermischt sich beides zu sehr, hat das nachteilige Effekte sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

Während der Arbeitszeit – auch wenn diese im Home-Office stattfindet – sollte deshalb auf jeden Fall die Kinderbetreuung geregelt sein. Das muss natürlich nicht zwangsläufig die klassische Betreuung extern in Kindergarten, Schule oder Hort sein, sondern kann auch in der Wohnung durch ein Au-Pair oder einen Verwandten erfolgen. Aber derjenige, der im Home-Office arbeitet, sollte nicht zugleich für die Kinderbetreuung zuständig sein. Alles andere bedeutet Stress für alle Beteiligten. Und kann zudem eine bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung zur Folge haben, Stichwort Gender Care Gap.

Gender Care Gap

Mit dem „Gender Care Gap“ bezeichnet man den Unterschied zwischen unbezahlter Sorgearbeit von Männern und Frauen. Die Zahlen aus einem Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 decken hier eine sehr große Lücke auf.

Vor allem was die direkte Care-Arbeit betrifft, also beispielsweise Kinderbetreuung sowie die Unterstützung und Pflege von erwachsenen Haushaltsmitgliedern, ist der Unterschied frappierend: Frauen befassen sich tatsächlich mehr als doppelt so viel mit direkter Care-Arbeit als Männer. Der Gender Care Gap beläuft sich hier auf 108,3 Prozent.

Bei der unterstützenden Care-Arbeit, worunter Tätigkeiten im Haushalt, aber auch ein Ehrenamt oder die Unterstützung anderer Haushalte fallen, beträgt der Wert immerhin noch 47,4 Prozent. Auch hier leisten die Frauen also den bei weitem größeren Anteil.

Phasen wie die Coronakrise zeigen zudem sehr deutlich, dass es vor allem die Frauen sind, die in Notsituationen die Kinderbetreuung in der Familie zusätzlich zum Job oder aber auf Kosten ihrer eigenen Arbeitstätigkeit übernehmen. Getreu dem Motto: „Es geht schon noch. Ich schaffe das.“ – bis zum Umfallen. Eine derartige Entwicklung kann Gesellschaften gerade in punkto Gleichberechtigung um Jahre zurückwerfen.

Denn die Versuchung ist dann groß, in bekannte bzw. bewährte Muster zurückzufallen.

Chance für mehr Gleichberechtigung

Im Idealfall begünstigt die Möglichkeit zum Home-Office eine zukünftig ausbalanciertere Aufteilung von Arbeit, Kinderbetreuung und häuslichen Tätigkeiten zwischen Mann und Frau. Denn dadurch, dass womöglich beide Elternteile teilweise oder ganz im Home-Office arbeiten, lässt sich auch die Care-Arbeit gerechter verteilen. Wichtig ist aber eben auch, das Home-Office nicht als Option fürs „Zuhause arbeiten“ plus gleichzeitig zu leistender Kinderbetreuung zu sehen. Denn in diesem Fall ist die Gefahr groß, dass das in erster Linie auf den Schultern der Frauen stattfindet, da sie bislang schon den weitaus größten Anteil der Care-Arbeit in Familien übernehmen. Zudem birgt es für denjenigen, der die Doppeltätigkeit leistet, ein großes Gefahrenpotenzial für langfristige Überlastung bis hin zum Burnout.


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