Ob essenzielles Fortbewegungsmittel, prestigeträchtiges Statussymbol oder Verkörperung von individueller Freiheit: Das Auto ist in unserem Leben kaum mehr wegzudenken. Gemessen am Umsatz ist die Automobilindustrie außerdem die bedeutendste Industriebranche in Deutschland, dicht gefolgt vom Maschinenbau. Dennoch steht die Industrie derzeit an einem Wendepunkt. Klimaschutz und geforderte Verkehrswenden stellen von Verbrennungsmotoren angetriebene Autos an den Pranger. Immer mehr Menschen, insbesondere in großen Städten, entschließen sich aufgrund der umweltschädigenden Auswirkungen gegen einen eigenen PKW. Nun setzt auch noch die Corona-Krise der Automobilindustrie schwer zu.

Die Automobilindustrie in Deutschland

Das Auto ist zweifellos ein wichtiges Element der deutschen Gesellschaft. Deutschland ist der drittgrößte Pkw-Produzent weltweit und wird nur von den USA und China übertroffen. Dabei produziert Deutschland etwa 69 % seiner Pkws für das Ausland, was der Bundesrepublik die höchste Pkw-Exportquote der Welt bringt. 

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass die Automobilindustrie als dominante Leitbranche der Volkswirtschaft in Deutschland für viele Arbeitsplätze und gute Gehälter sorgt. Im Jahre 2010 waren rund 790.000 Menschen in der Branche beschäftigt. Außerdem steuert die Autoindustrie den größten Anteil an den Forschungsaufwendungen der Wirtschaft in Deutschland bei und ihr Exportüberschuss macht über die Hälfte des gesamten Exportüberschusses Deutschlands aus. 

Die Geschichte der deutschen Automobilindustrie

Am Silvesterabend des Jahres 1879 läuft der von Carl Benz entwickelte stationäre Benzinmotor zum ersten Mal. Ein paar Jahre später, am 29. Januar 1886 meldet Carl Benz sein Fahrzeug zum Patent an. Dies gilt heute als Geburtsstunde des Automobils. Das vorgestellte Auto sieht damals jedoch ganz anders aus, als wir es heute gewohnt sind. Es hat nur drei Räder, ist sehr unbequem, laut, riecht unangenehm und hat zudem kein Dach. Zudem sind Autos für die meisten Leute unbezahlbar, weshalb nur wenige an ihren Erfolg glauben und der ökonomische Erfolg zunächst ausbleibt. So wird das neue Fahrzeug zunächst hauptsächlich von Adligen und Reichen genutzt, um sich hervorzuheben und nicht mehr mit dem Zug fahren zu müssen, um andere Passagiere zu vermeiden und sich der Abhängigkeit von Abfahrtszeiten zu entziehen.

Durch öffentliche Präsentationen und Rennen, sowie Vorstellungen zahlreicher neuer Modelle und Marken versuchen Automobilvereine wie der ADAC und auch die Medien das Interesse der Gesellschaft zu schüren. Insbesondere durch den Motorsport und die Betonung der Heldenrolle des Rennfahrers wird das Automobil langsam zu einem Symbol von Abenteuer und Freiheit und zu einem Ausdruck von Maskulinität.

Durch den industrialisierten ersten Weltkrieg wird der Aufstieg der Pkw-Branche unterbrochen, weshalb viele Automobilunternehmen in den Export fliehen oder, wie beispielsweise BMW, den Automobil- und Motorradbau ausbauen. Viele Hersteller gehen während dieser Zeit bankrott.

Am 1. Juli 1926 fusionieren die Daimler-Motoren-Gesellschaft und die Carl Benz & Cie. zur Daimler-Benz AG und stellen unter dem Markenzeichen des dreizackigen Sterns leistungsstarke Oberklassenfahrzeuge her, die vor allem im Ausland sehr gefragt sind. Durch die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise gerät die Automobilbranche weiter ins Wanken und die Produktion wird heruntergefahren. 1932 fusionieren die Markenhersteller Horch, Wanderer, Audi und DKW zur Auto-Union AG.

Als Adolf Hitler 1933 die Regierungsgewalt übernimmt führt er die steuerliche Förderung des Automobils ein und nutzt das Auto, um damit den Anschein eines fortschrittlichen Visionärs zu erwecken. Hitler lässt die Infrastruktur ausbauen, unterstützt den Rennsport und hat die Absicht, als erster Ermöglicher der Automobilität angesehen zu werden. Die Automobilbranche in Deutschland wächst und die verfügbaren Arbeitsplätze in diesem Bereich steigen rasant. 1945 wird erstmals der VW Käfer produziert, der nach einem holprigen Start zum meistverkauftesten Auto der Welt wird und bald auch in ausländischen Produktionsanlagen gefertigt wird. Auch heute noch betreibt VW in diesen und weiteren Ländern seine Werke. Mittlerweile haben die deutschen Autohersteller Fertigungen in mehr als 70 Ländern aufgebaut. Dies hat zur Folge, dass die deutsche Autoindustrie nun den größten Teil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaftet.

Automobilindustrie in Deutschland
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Autohersteller: Die Big Player

In der Rangliste der größten Hersteller im Jahre 2020, welche vom Center of Automotive Management (CAM) der FHDW Bergisch-Gladbach erstellt wurde, landete Volkswagen mit 10,71 Millionen verkauften Fahrzeugen auf Platz 1. Laut Konzernchef Herbert Diess soll der Fokus in Zukunft jedoch auf Ergebnisqualität und nicht auf Volumenorientierung gelegt werden. Die deutschen Autohersteller Daimler und BMW landeten lediglich auf Platz 12 und 13.

Wichtige Regionen und Standorte der Automobilindustrie

Die Autoproduktion in Deutschland wird nur von wenigen Konzernen bestimmt, wobei die Werke auf wenige Modelle spezialisiert sind. Den Absatzkrisen der Autohersteller wird durch Rückverlagerung von Produktion aus ausländischen Werken entgegengewirkt, was das Standortmuster, trotz sinkender Beschäftigungszahl, einigermaßen stabil hält. Volkswagen, BMW, Opel und DaimlerChrysler haben ihren Hauptsitz jeweils in Deutschland und zudem hierzulande weitere große Produktionsstätten, welche die jeweilige Region prägen:

  • Die DaimlerChrysler AG sitzt in Stuttgart und Umgebung.
  • Die Opel AG sitzt in Rüsselheim, Bochum und Eisenbach.
  • BMW ist in München, Regensburg und in Leipzig beheimatet.
  • Die VW AG befindet sich in Wolfsburg, Ingolstadt und Zwickau-Model.

Der Stammsitz der Volkswagen AG in Wolfsburg ist einer der wichtigsten und erheblich an der Entwicklung der Stadt Wolfsburg beteiligt. Es ist die größte zusammenhängende Automobilfabrik der Welt. Weitere Produktionsstandorte sind Emden, Hannover, Zwickau-Mosel und die Gläserne Manufaktur in Dresden. Auch das westthüringische Eisenach ist ein sehr bedeutender Standort für die Industrie, denn das Eisenacher Opel-Werk gilt als eine der produktivsten Fertigungsstätten in Europa.

Hidden Champions: Führende Zulieferbetriebe

Während die deutschen Autohersteller weltbekannt sind und großes Ansehen genießen, kennt die Namen der Autozulieferer kaum jemand. Dabei wäre ohne sie der große Erfolg kaum möglich. Die Zulieferer sind die stillen Helden der Autoindustrie, welche sich aus zwei Gruppen zusammensetzt: Den Automobilherstellern wie BMW, Volkswagen und Daimler und den meist anonymen Automobilzulieferern wie Bosch oder Conti, welche selten mit Autos in Verbindung gebracht werden. Ihre Produkte werden meist nur den namenhaften Herstellern zugeschrieben, dabei entfallen 75 Prozent der gesamten Wertschöpfung der Autobranche auf die Zulieferer und unter den Top 100 Automobilzulieferern weltweit befinden sich 18 deutsche Unternehmen. Dennoch profitieren beide Branchen voneinander. So entwickeln die Zulieferer neue Innovationen, während die Hersteller das Image bieten.

Rund 313.00 Menschen in Deutschland sind in einem Zulieferunternehmen beschäftigt. Die meisten Zulieferer sind kleine oder mittlere Unternehmen, vielen von ihnen familiengeführt und werden somit durch den Wandel der Autobranche vor große Herausforderungen gestellt. Sie müssen nach alternativen Antrieben suchen und ihr bisheriges Produktportfolio weiterentwickeln.

Dies sind die umsatzstärksten deutschen Automobilzulieferer:

  • Bosch
  • Continental
  • ZF Friedrichshafen
  • Mahle
  • Schaeffler
  • ThyssenKrupp Automotive
  • Hella GmbH & Co. KGaA
  • Brose
  • Eberspächer
  • Dräxlmaier
  • Freudenberg
  • Leoni
  • Mann+Hummel
  • Webasto
  • Infineon
  • Knorr-Bremse
  • Rheinmetall Automotive
Automobilindustrie in Deutschland
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Die Automobilbranche in Corona-Zeiten

Die aktuelle Corona-Krise trifft viele Zulieferer härter als die großen Autokonzerne. Das stellt die Industrie vor ein großes Problem, da dies den Zusammenbruch der Lieferketten befürchten lässt. Dieses Ereignis würde selbst große Konzerne wie VW in eine brenzlige Lage bringen. Die Automobilproduktion mit ihrem verzweigten Netzwerk aus Herstellern und Zulieferern kann in Deutschland nur wieder richtig anlaufen, wenn die ganze Lieferkette stabil bleibt. Deshalb muss die Automobilbranche eng kommunizieren, Produktionsunterbrechungen regeln und gleichzeitig bereits den Wiederhochlauf planen. Um die Lieferkette funktionsfähig zu halten müssten theoretisch alle gleichzeitig zum Start bereit sein.

Mehr zu diesem Thema kannst du in diesem Artikel lesen: Trends und Entwicklungen in der Automobilbranche (Link folgt)

Fazit

Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Industriebranchen in Deutschland, wobei der Schwerpunkt des Wirtschaftszweiges mit etwa 90 Prozent im Bereich Personenkraftwagen liegt. Die Produktion und der Vertrieb des Automobils tragen eine entscheidende Rolle zur Entstehung von Einkommen und Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik bei. Entstanden ist die Industrie Ende des 19. Jahrhunderts durch die Entwicklung des Automobils. Die Massenproduktion von Fahrzeugen brachte der Industrie einen großen Aufschwung. So verdanken viele Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz dem Automobil, denn neben der Automobilindustrie schaffen auch der Automobil-Handel, die Automobilreparatur, Tankstellen, Versicherungen und Taxiunternehmen Beschäftigungen.

Während deutsche Automarken weltbekannt sind, wird den zahllosen Zulieferern kaum Beachtung beschenkt. Dabei machen diese neue Innovationen überhaupt erst möglich. Sie bilden das Rückgrat der Autoindustrie und sind der Hauptarbeitgeber der Branche. Dennoch steht es derzeit in der Krise der Autoindustrie nicht gut um die deutschen Autozulieferer. Bereits vor der Corona-Pandemie standen diese unter Druck, da sie sich hinsichtlich der Elektromobilität neu orientieren müssen. Auch der allgemein schwache Absatz an Neufahrzeugen macht der Branche zu schaffen.

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Dieser Beitrag gehört zu unserer Artikel-Serie „Die Automobilbranche in Deutschland“. Weitere Artikel der Serie:


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