„Das habe ich doch gerne gemacht. Ich verlange keine Gegenleistung dafür“, sagt dein Kollege lächelnd, nachdem er dir bei etwas geholfen hat. Was für ein netter Mensch, denkst du dir. Vermutlich meint er das auch tatsächlich so. Nur fühlen sich die meisten von uns nach einer Gefälligkeit dennoch in der Schuld des anderen und möchten ganz automatisch etwas zurückgeben. Und plötzlich tut man etwas für diese Person, was man andernfalls niemals getan hätte. Und man freut sich, dass man ihr ebenfalls bei einer Sache helfen konnte. Dieses Phänomen nennt man auch Reziprozitäts-Effekt.

Das hört sich doch nett an, oder nicht? Klar, solange das Phänomen nicht als Manipulationstechnik verwendet wird. Und das kann im Berufsalltag schnell mal passieren. Wir erklären dir, was der Reziprozitäts-Effekt genau ist und wie du verhindern kannst, davon manipuliert zu werden.

Was ist der Reziprozitäts-Effekt?

Bei der Reziprozität geht es um die Gegenseitigkeit bzw. Wechselseitigkeit. Im Normalfall mögen es Menschen nicht, in der Schuld eines anderen zu stehen. Wir fühlen uns dazu verpflichtet, uns zu revanchieren, eine Gefälligkeit zu erwidern und sie gewissermaßen auszugleichen. Dies ist ein menschliches Prinzip, welches sich in sämtlichen Gesellschaften nachweisen lässt. Meist sind wir uns über diesen Umstand kaum bewusst, dennoch begleitet er uns Tag für Tag. Dabei können die Leistungen zeitlich weit entfernt voneinander erbracht werden, vergessen tun wir sie selten.

Nach einem Gefallen zu fragen ist nicht verwerflich, und tut man den Menschen in seinem Umfeld etwas Gutes, so muss man dabei nicht in erster Linie darauf aus sein, etwas dafür zu erhalten. Allerdings gibt es vor allem in der Arbeitswelt leider auch diejenigen, die den Reziprozitäts-Effekt schamlos ausnutzen, um ihre Kollegen oder Mitarbeiter zu manipulieren. Sie tun es nicht aus Nächstenliebe, sondern allein aus dem Grund, dass sie für sich selbst auf lange Sicht einen Vorteil dadurch erhoffen.

Da diese Kollegen oder Chefs oberflächlich betrachtet wie nette und hilfsbereite Menschen erscheinen, fallen ihre bösen Absichten oft kaum jemanden auf. Und dies ist umso gefährlicher. Denn Geschenke und Gefälligkeiten erzeugen sofort eine gewisse Nähe, eine Art der Verbundenheit und dadurch aber auch ein schlechtes Gewissen, ein Schuldgefühl. Deshalb arbeitet man im Marketing zum Beispiel mit Gratisproben, die in dem Beschenkten den Druck auslösen sollen, etwas kaufen zu müssen. 

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Reziprozität im Beruf

Das Prinzip wird vor allem von Chefs und Führungskräften genutzt, um ihre Mitarbeiter zu kontrollieren. So könnte dein Chef deine Beförderung als Gefälligkeit auslegen, indem er immer wieder erwähnt, wie sehr er bei der Geschäftsleitung darum kämpfen musste, dass du die neue Position bekommst. Von da an wirst du immer das Gefühl haben, in seiner Schuld zu stehen und dich erst recht anstrengen, um diese zu begleichen. Nutzt dein Chef das aus, könnte er dir extra viele Aufgaben zuteilen, obwohl du sowieso schon bis oben hin voll bist. Aber anstatt dich zu beschweren wirst du unbezahlte Überstunden schieben, einfach nur, weil dich deine Schuldgefühle dazu drängen. Du willst deinem Chef zeigen, dass er nicht umsonst für dich gekämpft hat und es die richtige Entscheidung gewesen ist. 

Auch bei Gehaltsverhandlungen kommt der Reziprozitäts-Effekt zutage. So kann dir dein Chef zunächst eine sehr geringe Lohnerhöhung vorschlagen, die du erst hochhandeln musst. In diesem Fall wirst du wahrscheinlich ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis sein, auch wenn du dir eigentlich einen viel höheren Betrag gewünscht hättest. Du kannst den Effekt allerdings auch zu deinen eigenen Vorteilen nutzen und genau dasselbe tun. Wie das funktioniert, kannst du in diesem Artikel lesen.

Doch nicht nur Führungskräfte nutzen die Reziprozität. Auch Kollegen können dich manipulieren, indem sie nett zu dir sind und vortäuschen, wie gerne sie dich mögen. Oft muss es nämlich nicht unbedingt eine Gefälligkeit sein, die in uns den Wunsch auslöst, einer anderen Person etwas zu geben. Auch Sympathie hat diesen Effekt auf uns. 

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So schützt du dich vor dem Reziprozitäts-Effekt

Eine gesunde Skepsis hilft dir dabei, manipulativen Menschen nicht in die Schlinge zu geraten. Das bedeutet natürlich nicht, dass du keine Gefälligkeiten mehr annehmen darfst. Schließlich gibt es auch genügend Personen, die dir sehr wohl einfach nur helfen möchten. Manchmal tun sie es auch, weil du ihnen selbst schon einmal geholfen oder etwas Nettes für sie getan hast. 

Dennoch solltest du die Augen offenhalten und dir stets dieses Phänomens bewusst sein. Allein das Wissen darüber schützt dich bereits, naiv Gefälligkeiten von Menschen anzunehmen, die sich davon etwas erhoffen. Vielleicht hast du einen Kollegen, der dir ständig ungefragt Dinge schenkt oder dir Aufgaben abnehmen will. Überlege dir, ob diese Person dies wirklich nur aus reiner Herzensgüte tut, oder ob mehr dahintersteckt. Falls du merkst, dass dich jemand manipulieren will, lass dich auf das Spiel nicht ein. Sobald du weißt, dass deine Schuldgefühle gegenüber diesem Menschen nur vom Reziprozitäts-Effekt herrühren, kannst du sie einfacher abstellen. Du musst das Gefälligkeitskonto nicht immer ausgleichen – ganz besonders dann nicht, wenn du nicht darum gebeten hast. 

Achte auch auf Kollegen, die sich ständig bei dir einschleimen und dir Honig um den Mund schmieren. Oft sind es nämlich genau diejenigen, die ihre ganze Arbeit auf die abwälzen wollen. Da sie dich zuvor mit Komplimenten überschüttet haben, bist du gewillter, ihnen etwas abzunehmen. Sollte es sich um echte Sympathie handeln, ist das natürlich kein Problem. Prinzipiell solltest du dich aber vor Kollegen in Acht nehmen, die es mit ihren Nettigkeiten übertreiben. Denn diese sind meist nicht echt.

Fazit

Tu Gutes und Gutes kommt zu dir zurück, sagt man. Und da ist durchaus etwas dran. Wer das Wissen um die Reziprozität allerdings bewusst ausnutzt, um für sich einen Vorteil daraus zu schlagen, der ist ganz einfach manipulativ. Im Job hilft es dir generell sehr, wenn du anderen Gefälligkeiten erweist, ganz ohne etwas dafür zu erwarten. Revanchiert sich der andere, freust du dich darüber. Tut er es nicht, ist das auch nicht schlimm. Schließlich gibt einem das Geben auch so immer etwas zurück: ein gutes Gefühl.

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