
Fußball-WM 2014: Müller – Einer aus 700.000

1974 gab es einen Hit in den deutschen Charts, der ging so: „Dann macht es Bumm, ja und dann kracht’s und alles schreit: der Müller macht’s. Dann macht es Bumm, dann gibt’s ein Tor und alle schreien: Müller vor.“
Inhaltsverzeichnis
WM-Kolumne: Eine Verbeugung vor Thomas Müller und all den anderen Müllers
Gesungen wurde der Song von Gerd Müller, einem der berühmtesten unter den Müllern – und das will was heißen, denn es gibt einige Müller in Deutschland. Deutsche Müller-Experten gehen von gut 700.000 Müllern hierzulande aus. Nicht ganz überraschend hat der Name seinen Ursprung im Beruf des Müllers im Mittelalter, als wohl in jedem Ort eine Mühle stand, die eben von einem Müller – von wem auch sonst – bedient wurde.
Der erste Müller meines Lebens war Erdkunde-Lehrer, fuhr einen Jaguar und trug Jeans der Marke Edwin, was eigentlich den Schülern der späten Achtziger vorbehalten war, ihn aber nicht weiter störte. Zudem verfügte er über zwei farblich getönte Brillen – eine blaue und eine rote. Wenn er die blaue trug, wartete eine vergleichsweise entspannte Erdkunde-Stunde – wenn er allerdings die Rote trug, dann machte es frei nach Namensvetter Gerd „Bumm“, dann krachte es. In exklusiven Fragestunden wurden dann nämlich sämtliche Flüsse Südamerikas abgefragt und bei der kleinsten Unsicherheit mit einer Note jenseits der Versetzung bedacht. Die nächste Müller in meinem Leben hieß Eva und war Lichtjahre für mich entfernt – also hier leider nicht der Rede wert, ebenso wenig wie das Erfrischungsgetränk, die Drogeriekette oder die Möbelkette im Norden meiner Heimatstadt.
Thomas im Müller-Olymp
Unter all diesen Müllern, sind es aber vor allem zwei, die – neben Eva – in jeder Hinsicht herausragen: Gerd und Thomas. Gerd war ein so besonderer Müller, weil er „der Bomber“ war und bei nur zwei Weltmeisterschaften sagenhafte 14 Tore schoss. Nicht zufällig wurde im Gerd-Müller-Kontext gleich auch das „müllern“ erfunden. Gemeint war damit, die Gabe Tore zu schießen, die so eigentlich gar nicht möglich waren – unspektakuläre, fast unbemerkte, dafür aber meist unglaublich wichtige Tore, wie etwa der entscheidende Treffer im WM-Finale 1974 gegen die Niederlande, als Gerd die DFB-Elf zum 2:1 – und damit zur Weltmeisterschaft – müllerte.
Thomas Müller ist nicht erst seit gestern Abend, aber eben irgendwie doch auch wegen gestern Abend, auf dem besten Weg, den Gerd im Müller-Olymp abzulösen. Das fing schon vor vier Jahren an, als er – wie seinerzeit der Gerd bei seiner ersten WM 1970 in Mexiko – WM-Torschützenkönig wurde. Damals reichten fünf Treffer zu diesem Titel. Nun hat er schon wieder drei auf seinem persönlichen Müller-Konto – und das nach gerade mal einem Spiel bei der WM 2014 gegen Portugal: ein Elfmeter aus dem Stand, ein Treffer nach erfolgreicher Balleroberung quasi selbst eingeleitet und ein Abstauber. Müllern at it´s best!
Keine Frage: Thomas Müller ist auf dem besten Weg zur deutschen WM-Legende, wenn er nicht schon längst eine ist. Das einzige, was ihm noch fehlt: der entscheidende Treffer im Finale und anschließend ein Hit in den Charts! In etwa so einer: „Dann macht es Bumm, ja und dann kracht’s und alles schreit: der Müller macht’s. Dann macht es Bumm, dann gibt’s ein Tor und alle schreien: Müller vor.“ Aber hey: das ist alles nur eine Frage der Zeit. Einen Müller hält nichts und niemand auf!
Sascha Theisen ist der Erfinder von TORWORT (www.torwort.de), der mittlerweile zum Kult aufgestiegenen Lesereihe in der Kölner Hammond Bar, wo auf After-Show-Partys gerne schon mal Breakdance-Einlagen der 80er zum Besten gegeben werden. Er wurde wie so viele vor ihm, weit vor seiner Zeit geboren. Theisen wohnte schon neben Maniche, Bruno Labbadia und Sidney Sam. Wenn jemand deren Namen bei Google eingibt, verdient Theisen aber nichts daran. Deshalb macht er das selbst auch nicht.
Seit seiner Kindheit, die er in Düren verbrachte, weiß Theisen alles über Fußball, spielte selbst aber nur für schlafende Riesen wie Alemannia Straß, den TSV Stockheim 09 und Reaktor Winden, die auch er nicht aufwecken konnte. Trotzdem ist Sascha Theisen mit einer Frau allererster Güte verheiratet und hat zwei Söhne, die ihren Führerschein selbst bezahlen müssen, wenn sie nicht Fans von Alemannia Aachen werden.
Bisher veröffentlichte Theisen im WERKSTATT Verlag die Bücher „Helden – 50 deutsche WM-Legenden“, „Nach Vorne!“, „Marmor, Stein und Eisen“ sowie die Bolzplatz-Bibel „Auf Asche“.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.