Keine Arbeitsplatzrationalisierung während Elternzeit
07.12.2006
§§ 15 Abs. 1, 6 Satz 1, Abs. 7 Sätze 1 und 5 BErzGG
Der Arbeitgeber kann die Ablehnung eines Arbeitnehmerantrags auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht damit begründen, der Arbeitsplatz sei nicht vertretungsweise neu besetzt worden, sondern aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen gänzlich entfallen.
(Leitsatz der Bearbeiterin)
LAG Hamm, Urteil vom 15. Februar 2006 ? 9 Sa 1601/04
Problempunkt
Die Arbeitnehmerin klagt gegen ihren Arbeitgeber auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit. Sie war bei der Beklagten zuletzt als kaufmännische Angestellte in der Abteilung Verkauf/Einkauf beschäftigt. Nachdem die Mitarbeiterin schwanger geworden war, meldete sie eine dreijährige Elternzeit nach Ablauf der Mutterschutzfristen an und beanspruchte zugleich eine Teilzeitbeschäftigung von 19 Stunden wöchentlich. Das Teilzeitbegehren wies der Arbeitgeber im Wesentlichen mit der Begründung zurück, seine Mitarbeiter müssten den Kunden an allen Arbeitstagen voll zur Verfügung stehen. Im übrigen stehe keine Halbtagsstelle zur Verfügung.
Der Arbeitsplatz der Klägerin ist während ihrer elternzeitbedingten Abwesenheit tatsächlich nicht neu besetzt, sondern abteilungsintern mit anderen Aufgabengebieten zusammengelegt worden. Das Arbeitsgericht folgte dem Klageantrag der Arbeitnehmerin.
Entscheidung
Die Berufung des Arbeitgebers blieb erfolglos. Der Arbeitnehmerin steht gem. § 15 Abs. 1, 6 Satz 1, Abs. 7 Sätze 1 und 5 BErzGG ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit auf wöchentlich 19 Stunden zu. Es liegen keine dringenden betrieblichen Gründe vor, die dem Anspruch der Mitarbeiterin entgegenstehen. Die zusammengelegten Arbeitsbereiche können ohne gewichtige Nachteile für den Arbeitgeber von zwei Halbtagskräften übernommen werden. Insbesondere die seitens des Unternehmens geforderte Kontinuität der Ansprechpartner für den Kundenstamm bleibt bei einer Beschränkung auf gerade einmal zwei Mitarbeiter erhalten. Auch kann sich der Unternehmer nicht darauf berufen, die Kündigung eines Vollzeitmitarbeiters wegen des Erziehungsurlaubs der Klägerin sei ihm nicht zumutbar. Denn auch wenn die Klägerin keine Elternzeit in Anspruch genommen hätte, wäre infolge der Unternehmensentscheidung des Arbeitgebers der Arbeitsplatz entfallen.
Konsequenzen
Soll der Arbeitsplatz eines in Elternzeit befindlichen Mitarbeiters aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen abgebaut werden, muss der Arbeitgeber gegenüber demjenigen, der den Aufgabenbereich des Arbeitnehmers in Elternzeit (mit-)übernommen hat, eine Änderungskündigung aussprechen. An dieser Verpflichtung ändert die Elternzeit des anderen Beschäftigten nichts. Dieser muss die Rationalisierungsmaßnahmen seines Arbeitgebers nicht dadurch sozial ?abfedern?, dass er ? entgegen seinem Begehren ? auf eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit verzichtet.
Praxistipp
Neben der Verpflichtung des Arbeitgebers, im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen Änderungskündigungen auszusprechen, kann er den Bedürfnissen seiner Kunden durch zusätzliche interne Maßnahmen Rechnung tragen.
In der vorliegenden Entscheidung sah sich der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Umwandlung einer Vollzeit- in zwei Teilzeitstellen in seiner unternehmerischen Freiheit zur Gestaltung der Betriebsabläufe verletzt. Das Landesarbeitsgericht stellte darauf ab, dass gerade in Verkaufsbereichen die Teilzeitbeschäftigung alltäglich praktizierte Lebenswirklichkeit geworden sei und dieser Umstand von den Kunden auch akzeptiert werde. Inwieweit ein Kunde im jeweiligen Fall tatsächlich von den Beschäftigungsmodellen des von ihm kontaktierten Unternehmens weiß, sei dahingestellt. Entscheidend ist für ihn eine kompetente, umfassende und zeitnahe Beratung.
Arbeitgeber sollten daher verstärkt in die Personalentwicklung ihrer Mitarbeiter investieren und für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ihrer Teilzeitbeschäftigten Sorge tragen. So kann beispielsweise durch eine zeitliche Überlappung der Arbeitszeiten ein Informationsaustausch unter den Mitarbeitern stattfinden, welcher die Sachbearbeitung nicht zuletzt im Interesse des Kunden beschleunigt.
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de