Der schmale Grad der Abgrenzung: Outsourcing oder unzulässige Austauschkündigung
07.07.2005
BAG, Urteile v. 16.12.2004, 2 AZR 66/04 und 2 AZR 67/04
Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist eine unternehmerische Organisationsentscheidung, auf Grund derer ein Arbeitsplatz entfällt. Das ist aber nicht der Fall, wenn die Tätigkeit durch andere Mitarbeiter ausgeführt wird, die genauso in dem Betrieb des Arbeitgebers arbeiten und dessen Direktionsrecht unterliegen.
In den beiden hier entschiedenen Fällen klagten die Arbeitnehmer gegen ihre Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Die Arbeitgeberin ist eine Zeitschriften Verlags KG, die der Firmengruppe ?M? angehört, welcher noch einige weitere Zeitschriftenverlage zugeordnet sind. Die beiden gekündigten Mitarbeiter waren als Produktionsleiter für den Druck der Zeitschrift ?M? in der Nachtschicht eingesetzt und dort sowohl den Mitarbeitern ihrer Arbeitgeberin als auch den Mitarbeitern der anderen dort im Druck tätigen Verlage übergeordnet. Im September 2002 beschloss die Arbeitgeberin, ihre eigene Produktionsleitung einzustellen. Im Oktober 2002 beschloss sie weiter, eine ihrer anderen Firmen umzufirmieren und diese in Zukunft im Wege eines Dienstleistungsvertrags mit der Produktion aller ihrer Projekte zu beauftragen. In diesem Zusammenhang wurden für die Produktionsleitung beim Druck der Zeitschrift ?M? drei sogenannte Team-Dispatcher eingesetzt.
Die bisherigen Produktionsleiter wurden gekündigt, weil ihr Arbeitsplatz entfallen sei. Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen. Die gekündigten bisherigen Produktionsleiter stellten sich auf den Standpunkt, ihr Arbeitsplatz sei nach wie vor vorhanden, es sei lediglich innerhalb der Firmengruppe umstrukturiert und umfirmiert worden und dann an ihrer Stelle Mitarbeiter einer anderen Firma der Arbeitgeberin mit den gleichen Aufgaben betraut worden, wobei diese anderen Mitarbeiter genauso dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin unterlägen wie sie selbst. Es handle sich letztlich um eine unzulässige Austauschkündigung.
Dem widersprach die Arbeitgeberin. Der Arbeitsumfang in der Produktionsleitung habe sich verringert, die Team-Dispatcher seien in einem größeren Aufgabenumfang eingesetzt, es gebe keinen Gemeinschaftsbetrieb mit der umfirmierten Arbeitgeberin der Team-Dispatcher, es gebe auch kein gemeinsames Personal oder einen Personalaustausch, eine einheitliche Geschäftsführung mit der beauftragten Gesellschaft bestehe ebenfalls nicht. Weiter liege kein Betriebsübergang vor, allenfalls eine teilweise Funktionsnachfolge.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigungen der beiden Produktionsleiter unwirksam waren, da sie sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) waren. Es handelte sich vielmehr um unzulässige Austauschkündigungen i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG. Es lag kein ? kündigungsrechtlich zulässiges ? Outsourcing vor. Die Arbeitsplätze der gekündigten Arbeitnehmer waren im Betrieb der Arbeitgeberin nach wie vor vorhanden. Dass die Team-Dispatcher auch andere Druckerzeugnisse der Arbeitgeberin betreuen, rechtfertigt nicht die Annahme des Wegfalls der Arbeitsplätze. Weder die Funktionen der gekündigten Mitarbeiter noch die entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb der Arbeitgeberin sind entfallen.
Um ein die Kündigungen rechtfertigendes Outsourcing annehmen zu können, hätten die bisher durch die eigenen Mitarbeiter ausgeführten Arbeiten an ein Fremdunternehmen zur selbstständigen Durchführung dieser Arbeiten übertragen werden müssen. Die Team-Dispatcher waren aber ebenso wie die gekündigten Produktionsleiter unmittelbar in den Produktionsprozess der verschiedenen Zeitschriften der Arbeitgeberin einbezogen und arbeiteten dabei in der Druckerei der Arbeitgeberin mit deren sonstigen Mitarbeitern zusammen. Hier hätte die beklagte Arbeitgeberin sehr genau erklären müssen, warum es sich dennoch um eine unabhängige und selbstständige Aufgabenerledigung der Fremdfirma handelt. Das hat sie nicht getan. Das Bundesarbeitsgericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsplätze der gekündigten Produktionsleiter noch vorhanden waren und diese dort weiter beschäftigt werden konnten.
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Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de