Abwerbeanrufe am Arbeitsplatz
02.09.2004
§ 1 UWG (i.d.F. bis 8.7.2004)
Die telefonische Kontaktaufnahme mit Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung durch einen Personalberater ist wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn der Anrufer zunächst erfragt, ob der Arbeitnehmer an der Kontaktaufnahme als solcher zu diesem Zeitpunkt interessiert ist und das bei einem bestehenden Interesse geführte Gespräch sich auf eine kurze Beschreibung der zu besetzenden Stelle beschränkt.
BGH, Urteil vom 4. März 2004 ? I ZR 221/01
Problempunkt
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer telefonischen Direktansprache von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz. Die Klägerin ist auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig und beschäftigt hochqualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter, deren Kenntnisse und Fähigkeiten sie durch Schulungen auf dem neuesten Stand hält. Der Beklagte, der sich mit der Suche und Vermittlung von Führungs- und Fachkräften befasst, nahm aufgrund eines Personalsuchauftrags mit einer Projektleiterin der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz telefonisch Kontakt auf und bot ihr die Stelle an. Die Klägerin hält dieses Vorgehen für wettbewerbswidrig.
Entscheidung
Nach Auffassung des BGH hängt die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von telefonischen Abwerbeanrufen vom Gesprächsinhalt ab.
Der BGH bestätigt in der Entscheidung zunächst den Grundsatz, dass ein Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt und nur dann sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG a.F. ist, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden (vgl. hierzu bereits BGH v. 17.3.1961 ? I ZR 26/60, GRUR 1961, S. 482 f.). Ob die telefonische Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz als wettbewerbsrechtlich unlauteres Mittel der Abwerbung zu beurteilen ist, ist streitig. Bisher wurde dies in Rechtsprechung und Literatur überwiegend bejaht (OLG Stuttgart v. 17.12.1999 ? 2 U 133/99, AuA 8/01, S. 378; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, § 1 Rdnr. 906; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl. 2001, § 1 Rdnr. 583, 594; a.A. OLG Karlsruhe v. 25.7.2001 - 6 U 145/00 - als Vorinstanz dieser BGH-Entscheidung).
Der BGH kommt auf der Grundlage einer Abwägung der Interessen der Beteiligten zu einer differenzierenden Beurteilung. Auf Seiten des Personalberaters berücksichtigt der 1. Senat das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht an der freien Ausübung seines Berufs und sein Interesse, bei der Suche nach Bewerbern für eine offene Stelle möglichst wenigen Einschränkungen zu unterliegen. Bei den angesprochenen Arbeitnehmern besteht nach Auffassung des BGH zwar häufig ein Interesse daran, von Möglichkeiten zu erfahren, ihre berufliche Situation durch einen Arbeitsplatzwechsel zu verbessern. Ein aufgedrängtes Gespräch kann aber auch für den Arbeitnehmer störend wirken, wenn er grundsätzlich kein Interesse an einem Arbeitsplatzwechsel hat oder er durch den Anruf bei eiligen Arbeiten gestört wird. Auf Seiten des Arbeitgebers ist das ebenfalls grundgesetzlich geschützte Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) berührt, da zum Zweck der Abwerbung die Telefonanlage seines Betriebs in Anspruch genommen und der Arbeitnehmer von der Tätigkeit für das Unternehmen abgehalten wird.
Bei Berücksichtigung der Anliegen der weiteren Beteiligten (Abwerbender und dessen Auftraggeber) und unter Einbeziehung des Interesses der Allgemeinheit an einem wirksamen Wettbewerb um Arbeitskräfte, ist es nach Auffassung des Senats dem Arbeitgeber aber grundsätzlich zuzumuten, Anrufe eines Personalberater hinzunehmen, wenn diese sich auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränken. Dagegen ist es wettbewerbswidrig, wenn der Anruf über eine solche erste Kontaktaufnahme hinausgeht oder wenn der Anrufer sich darüber hinwegsetzt, dass der Arbeitnehmer daran kein Interesse hat.
Konsequenzen
Der BGH gibt in der Entscheidung eine klare Handlungsanweisung dafür, wie ein Abwerbeanruf am Arbeitsplatz gestaltet werden kann:
Der Personalberater muss, nachdem er sich vorgestellt und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst feststellen, ob der Angerufene an der Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Ist dies der Fall, darf er die zu besetzende Stelle kurz beschreiben und ggf. eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden. Alle darüber hinausgehenden Kontakte mit dem umworbenen Mitarbeiter müssen danach außerhalb der Arbeitszeit stattfinden.
Am 8.7.2004 ist eine Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft getreten. § 3 UWG n.F. enthält als Generalklausel entsprechend dem § 1 UWG a.F. ein allgemeines Verbot des unlauteren Wettbewerbs. Der Begriff der ?Unlauterkeit? ersetzt den bisher verwendeten Begriff der ?guten Sitten?. Darüber hinaus wurde die Generalklausel in § 4 UWG n.F. durch einen Beispielskatalog ergänzt. Die Auswirkungen dieses Katalogs auf die Auslegung der Generalklausel sind derzeit noch nicht abzusehen. Zudem sieht die neue Generalklausel des § 3 UWG n.F. im Gegensatz zu der alten Fassung eine Bagatellgrenze vor. Ein Wettbewerbsverstoß liegt danach nur vor, wenn eine Handlung geeignet ist, den Wettbewerb ?nicht nur unerheblich? zu beeinträchtigen. Ob diese Änderungen dazu führen, dass Abwerbeanrufe künftig noch in größerem Umfang als zulässig beurteilt werden, bleibt abzuwarten. Bis auf weiteres erscheint es sinnvoll, die Vorgaben des BGH zu berücksichtigen.
Praxistipp
Die aufgrund der Abwerbeanrufe geführten Gespräche sind als private Nutzung des Telefonanschlusses durch den Arbeitnehmer zu beurteilen. Private Telefonate bedürfen grundsätzlich einer Genehmigung des Arbeitgebers, die arbeitsvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung erfolgen kann. Häufig wird auch eine stillschweigende Duldung vorliegen (vgl. hierzu auch Küttner/Kreitner, Personalbuch 2004, Telefon-/Internetnutzung, Rdnr. 4). Ist eine private Nutzung ausgeschlossen, ist der Arbeitnehmer aus arbeitsrechtlicher Sicht auch nicht berechtigt, sich kurz über die angebotene Stelle informieren zu lassen, sondern müsste den Personalberater darüber informieren, dass das Gespräch nicht über den dienstlichen Anschluss geführt werden kann. In der Praxis dürften aber etwaige Verstöße gegen ein Verbot der privaten Telefonnutzung bei der Entgegennahme von Anrufen eines Personalberaters kaum feststellbar sein.
RA Ralf Schmiedel,
Rechtsanwälte Godefroid & Pielorz, Düsseldorf
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de