Änderung vertraglicher Nebenabreden
04.03.2004
§_2 KSchG
Änderungskündigungen zur Anpassung vertraglicher Nebenabreden (z.B. kostenlose Beförderung zum Betriebssitz, Fahrtkostenzuschuss, Mietzuschuss) an geänderte Umstände unterliegen nicht den gleichen strengen Maßstäben wie Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung.
BAG, Urteil vom 27._März 2003_? 2_AZR 74/02
Problempunkt
Anlässlich der Verlagerung ihres Betriebssitzes hatte die Firma in einem von ihr gestellten Bus kostenfrei die Beförderung der Arbeitnehmer von der ursprünglichen zur neuen Betriebsstätte übernommen. Nach einigen Jahren fasste sie den Entschluss, diesen Dienst einzustellen, nachdem die Anzahl der beförderten Mitarbeiter erheblich gesunken war (von 28 auf 5) und die Betriebsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zumutbarer Weise erreicht werden konnte. Die Firma kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der klagenden Mitarbeiterin und bot ihr an, das Arbeitsverhältnis zu sonst gleichen Vertragsbedingungen mit der Einschränkung fortzusetzen, dass sie zu ihren regelmäßigen Bezügen einen monatlichen Pauschalzuschuss für Fahrtkosten erhalte. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Änderungskündigung, die von der Mitarbeiterin nicht unter Vorbehalt angenommen wurde.
Für Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung gelten, insbesondere nach der Rechtsprechung des 2._Senats des BAG sehr strenge Voraussetzungen: Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Ein Geldmangel allein kann den Schuldner nicht entlasten. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs~/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG, Urt. v. 16.5.2002_? 2_AZR 292/01).
Im vorliegenden Fall hatte das LAG angenommen: Wolle der Arbeitgeber eine seitens des Betriebs zugesagte Beförderung von Mitarbeitern zum Arbeitsort einstellen, so seien an die Wirksamkeit der entsprechenden Änderungskündigung die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie bei betriebsbedingten Änderungskündigungen zur Entgeltreduzierung vom BAG gefordert würden. Es sei auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebs abzustellen. Wenn die Firma lediglich auf die entstehenden Transportkosten und die Möglichkeit, hier betriebliche Mittel einzusparen, hinweise, seien damit noch keine dringenden betrieblichen Erfordernisse zur Kündigung dargelegt.
Die Revision des Arbeitgebers war erfolgreich. Der 2._Senat hob das LAG-Urteil auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Zur erleichterten Änderungskündigung zur Anpassung vertraglicher Nebenabreden stellt der 2._Senat folgende Grundsätze auf:
Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen kann in Betracht kommen, wenn die Parteien eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vereinbart haben, die an Umstände anknüpft, die erkennbar nicht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses gleich bleiben müssen.
Hat der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern anlässlich des Umzugs des Betriebs an einen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur schwer erreichbaren Ort vereinbart, einen kostenlosen Werksverkehr vom bisherigen Betriebsort an die neue Betriebsstätte einzurichten und zu unterhalten, so kann eine erhebliche Veränderung der bei der Vereinbarung zu Grunde gelegten Umstände ein dringendes betriebliches Erfordernis zu einer Änderungskündigung darstellen.
Die Änderung solcher Nebenabreden unterliegt nicht den gleichen strengen Maßstäben wie Änderungskündigungen zur Kürzung der vereinbarten Vergütung. Es ist jedoch zum einen stets zu prüfen, ob sich die der ursprünglichen Vereinbarung zu Grunde liegenden Umstände so stark geändert haben, dass sie eine Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich machen. Zum anderen ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen vorzuschlagen, die dieser billigerweise hinnehmen muss.
Konsequenzen
Zu begrüßen ist, dass das BAG für die Änderung von Nebenabreden nun ausdrücklich auf die strengen Maßstäbe, die bei einer Änderungskündigung zur Kürzung der vereinbarten Vergütung anzuwenden sind, verzichtet und damit zumindest bei den Nebenabreden Anpassungen möglich sind.
Für den Fall bedeutet das: Hat sich die Anzahl der Teilnehmer am Werksbusverkehrs tatsächlich stark reduziert und besteht mittlerweile eine zumutbare Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, spricht alles dafür, dass die Entscheidung der Firma, den von ihr finanzierten Busdienst einzustellen, ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderungskündigung darstellt. Schon die stetig abgesunkene Zahl der Benutzer hat dann die Kosten erkennbar auf ein Vielfaches des Betrages pro Arbeitnehmer ansteigen lassen, mit dem die Parteien ursprünglich rechnen konnten. Außerdem macht es aus der Sicht beider Parteien einen erheblichen Unterschied, dass das Betriebsgelände nunmehr in zumutbarer Weise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist, was zuvor nicht der Fall war. Bei fünf Arbeitnehmern, die den Werksbus noch nutzen, sind jedenfalls die Kosten pro Mitarbeiter, verglichen mit deren Gehalt, so erheblich, dass eine einschneidende Änderung der der ursprünglichen Vereinbarung zu Grunde gelegten Umstände festzustellen ist.
Praxistipp
Die Sache ist noch nicht endgültig entschieden. So könnte das LAG etwa zu dem Ergebnis kommen, die Mitarbeiterin müsse die vom Arbeitgeber beabsichtigte Vertragsänderung nicht ?billigerweise hinnehmen?. Im Schrifttum werden ferner erhebliche Bedenken gegen das Urteil geäußert (Berkowsky, NZA 2003, S._1130_ff., s. ferner Hromadka, S. 17 in dieser Ausgabe).
Besser ist es, Nebenleistungen wie die hier streitigen grundsätzlich nur unter Widerrufsvorbehalt zuzusagen.
Formulierungsmuster
Alle betrieblichen Zusatzleistungen, also z.B. zzt.
? Fahrgeldzuschüsse,
? kostenloser Transport,
? Mietzuschuss,
werden rein freiwillig und nur so lange gewährt, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens dies erlauben. Der Widerruf aus sachlichen Gründen mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten bleibt ausdrücklich vorbehalten.
Dr. Wolf Hunold,
Unternehmensberater, Neuss
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de