Kündigung bei eigenmächtigem Urlaubsantritt
03.11.2004
§ 626 BGB
Tritt ein Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, ist ein solches Verhalten geeignet einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2003 - 15 Sa 49/03
Problempunkt
Der 52-jährige verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit mehr als 11 Jahren für die Beklagte tätig. Im Dezember 2001 wurde auf den 19.3.2002 ein Teammeeting festgesetzt. Der Kläger erhielt daher keine Genehmigung für den im Februar 2002 über diesen Zeitpunkt beantragten Urlaub. Auf die Ablehnung teilte der Kläger seinem Teamleiter per Mail mit, dass der Flug bereits für den 17.3.2002 gebucht sei und er deswegen seinen Urlaub wie geplant antrete. Der Teamleiter bekräftigte daraufhin die Ablehnung des Urlaubs nochmals in einer Mail. Gleichwohl trat der Kläger seinen Urlaub am 18.3.2002 an. Unmittelbar davor vertrat er in einem Gespräch mit einem Kollegen die Auffassung, dass ihm der Urlaub nur deshalb verweigert worden sei, weil der Teamleiter ihn nicht leiden könne. Im Übrigen gehe er davon aus, dass er aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit im Grunde unkündbar sei. Daher wolle er einfach einmal abwarten, was sein Teamleiter unternehmen werde. Die Beklagte kündigte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht hielt die außerordentliche Kündigung für unwirksam. Der Beklagten sei es zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Die ordentliche Kündigung sei dagegen sozial gerechtfertigt, da eine Selbstbeurlaubung eine erhebliche Pflichtverletzung darstelle. Dagegen ist nach Auffassung des LAG Baden Württemberg das Arbeitsverhältnis nicht erst durch die hilfsweise ordentliche, sondern bereits durch die außerordentlich fristlose Kündigung aufgelöst worden. Eine Selbstbeurlaubung sei eine erhebliche Pflichtverletzung, die an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Hat der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung ausdrücklich abgelehnt, liege regelmäßig sogar eine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Diese Einschätzung werde hier dadurch bestätigt, dass sich der Kläger uneinsichtig zeigte und sich jeder Ermahnung zum Trotz entschieden hat, den geplanten und gebuchten Urlaub anzutreten. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei für die Beklagte schon deshalb unzumutbar, weil der Kläger die offene Konfrontation gesucht habe. Auch eine vorherige Abmahnung sah das LAG als entbehrlich an, da die Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung für den Kläger ohne weiteres erkennbar war. Eine Hinnahme des Verhaltens durch die Beklagte war offensichtlich ausgeschlossen.
Konsequenzen
Das LAG hat in bemerkenswerter Deutlichkeit klargestellt, dass eine beharrliche Arbeitsverweigerung geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dagegen scheint sich im erstinstanzlicher Urteil die in der Rechtsprechung aufgrund vermeintlich sozialer Erwägungen häufig anzutreffende Unsicherheit im Umgang mit im Arbeitsleben inakzeptablen Verhaltensweisen widerzuspiegeln. Zwar ist, wie auch das LAG in seiner Begründung ausführt, nicht zu verkennen, dass eine fristlose Kündigung einen Arbeitnehmer sowohl in seiner sozialen wie auch in seiner beruflichen Situation hart treffen kann. Dies wird im Hinblick auf das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Klägers im vorliegenden Fall besonders deutlich. Zutreffend hat das LAG bei der Interessenabwägung jedoch darauf hingewiesen, dass ein Mitarbeiter, der durch eine angekündigte Pflichtverletzung offen die Konfrontation sucht, auch für die Konsequenzen seines Handelns einstehen muss. Für den Arbeitgeber ist es in einem solchen Fall unzumutbar, diesen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Dies gilt entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung auch für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung. Dem LAG ist zuzustimmen, wenn es ausführt, dass ein Mitarbeiter, der in einem Fall beharrlich seine geschuldete Arbeitsleistung verweigert hat, keine Gewähr mehr dafür bietet, dass er sich nicht nochmals derart schwerwiegend über ausdrückliche Weisungen hinwegsetzt.
Praxistipp
Für die Praxis hat das Urteil in zweierlei Hinsicht Signalwirkung. Es zeigt zum einen, dass eine bewusste Arbeitsverweigerung, sei es, wie vorliegend durch Selbstbeurlaubung, durch Arbeitszeitbetrug oder anderes, auch von den Gerichten als Grund zur außerordentlichen Kündigung anerkannt wird. Insofern kann es nicht nur als argumentative Unterstützung in gerichtlichen Auseinandersetzungen herangezogen werden. Vielmehr sollten die Ausführungen des LAG von Personalverantwortlichen auch genutzt werden, um Mitarbeitern im Vorfeld möglicher Konflikte den Irrglauben der Unkündbarkeit zu widerlegen. Zum anderen belegt es einmal mehr, dass Arbeitgeber eine gerichtliche Auseinandersetzung auch über mehrere Instanzen nicht scheuen müssen. Wer eine gerichtliche Auseinandersetzung riskiert gewinnt vielleicht erst in zweiter Instanz. Wer auch bei völlig inakzeptablen Verhaltensweisen eine gerichtliche Auseinandersetzung scheut, hat in jedem Fall verloren.
RA Dr. Arnd Diringer,
Stuttgart
Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de