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Weiterbeschäftigung bei verhaltensbedingter Kündigung zumutbar?

06.03.2003

§ 615 Sätze 1 und 2 BGB

1. Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers ihn für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen ab, so kann darin ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbes i.S.v. § 615 Satz 2 BGB liegen.
2. Die vorläufige Weiterbeschäftigung beim früheren Arbeitgeber ist regelmäßig dann zumutbar, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens den Antrag auf Weiterbeschäftigung anhängig macht.
3. Macht der Arbeitnehmer trotz Rechtshängigkeit dieses Antrages die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung geltend, muss er sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterlässt.
4. Dies gilt auch für Kündigungen aus verhaltensbedingten Gründen.


LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Februar 2002 - 4 Sa 311/02
(Revision anhängig unter: 2 AZR 500/02)

Problempunkt:
Der 61-jährige Kläger war seit 21 Jahren bei der Beklagten als Versandmitarbeiter tätig. Anlässlich einer Arbeitsanweisung kam es zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten zu einem Wortwechsel, in welchem er diesen als ?das größte Arschloch, was im Betrieb herumlaufe?, bezeichnete. Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Kläger stellte neben der Kündigungsschutzklage auch einen Antrag auf Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht gab der Klage aufgrund einer wegen der langjährigen Tätigkeit des Klägers zu seinen Gunsten ausgefallenen Interessenabwägung statt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Unmittelbar nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils hatte die Beklagte eine Prozessbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens angeboten, welche der Kläger ablehnte. Nunmehr verlangt er Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit zwischen erst- und zweitinstanzlichem Urteil.

Entscheidung:
Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück. Auch mit der Berufung war der Kläger nicht erfolgreich.
Nach Auffassung des LAG scheitert der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB) daran, dass der Kläger einen möglichen anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen hat. Die Beklagte habe sich zwar im Annahmeverzug, welcher auch nicht durch das Angebot zur Aufnahme einer Prozessbeschäftigung an den Kläger beendet wurde, befunden. Die Zurückweisung des Angebots sei jedoch als böswillig i.S.d. § 615 Satz 2 BGB zu bewerten, so dass ein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für diesen Zeitraum ausscheide.
Böswilligkeit liegt vor, wenn vorsätzlich grundlos Arbeit abgelehnt wird. Die Kammer musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob der Kläger ?grundlos? handelte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dies bei einer unwirksamen außerordentlichen auf verhaltensbedingte Gründe gestützten Kündigung regelmäßig nicht der Fall, da der Arbeitnehmer hierdurch zumeist bereits in seinem Ansehen bzw. seiner Ehre beeinträchtigt ist.
Der vorliegende Fall, so die Kammer, weise allerdings einige Besonderheiten auf, die letztlich zu einem anderen Ergebnis führen müssten. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die der fristlosen Kündigung zu Grunde liegenden Vorwürfe unstreitig gegeben sind. Die Rechtswidrigkeit der Kündigung ergibt sich ausschließlich aus der Interessenabwägung zu Gunsten des langjährig beschäftigten Klägers. Darüber hinaus sei die Zumutbarkeit regelmäßig dann zu bejahen, wenn zugleich mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, ein Leistungsantrag auf Weiterbeschäftigung gestellt wurde. Der Arbeitnehmer gibt mit einem solchen Antrag zu erkennen, dass sein Weiterbeschäftigungsinteresse größer sei, als ein eventuelles Interesse an seiner Rehabilitation. Sofern der Arbeitnehmer dann aber ein entsprechendes Angebot ablehnt, würde er sich selbst in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen und insoweit böswillig i.S.d. § 615 Satz 2 BGB handeln.

Konsequenzen:
Ob es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, ein Angebot des Arbeitgebers auf Prozessbeschäftigung anzunehmen, ist in erster Linie von der Art zur Kündigung und ihrer Begründung sowie von dem Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess abhängig. Das bedeutet, dass auch bei einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung die Umstände des Einzelfalles zur Bejahung der Zumutbarkeit führen können. Die hierzu ergangene Entscheidung des LAG verdient Zustimmung, wobei abzuwarten ist, wie das Bundesarbeitsgericht entscheiden wird.

Praxistipp:
Für den Arbeitnehmer besteht die Gefahr, durch eine zu schnelle Ablehnung des arbeitgeberseitigen Angebotes auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, seinen Vergütungsanspruch zu verlieren. Es empfiehlt sich deshalb, vor der Entscheidung juristischen Rat einzuholen. Dagegen muss der Arbeitnehmer nicht von sich aus tätig werden und einen erstinstanzlich festgestellten Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber vollstrecken. Der Anspruch auf Annahmeverzugslohn bleibt in diesem Fall erhalten.

Ass.jur. Peggy Lenart, Darmstadt


Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

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