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Anfechtung wegen Schwangerschaft?

05.12.2003

§§ 123, 611a BGB

Die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft verstößt bei einer geplanten unbefristeten Einstellung einer Frau regelmäßig auch dann gegen § 611a BGB, wenn die Frau die vereinbarte Tätigkeit wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots zunächst nicht aufnehmen kann.

BAG, Urteil vom 6. Februar 2003 ? 2 AZR 621/01

Problempunkt
Die Klägerin, die ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung vom 11.4.2000 schwanger war, schloss am 3.5.2000 mit der Beklagten einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Sie sollte als Wäschereimitarbeiterin mit verkehrsüblichen Arbeiten beschäftigt werden. Mit Unterschrift im Arbeitsvertrag versicherte sie u.a., ?dass keine Schwangerschaft vorliegt?. Am 8.6.2000 focht die Beklagte den Arbeitsvertrag an. Sie trug vor, keine für Schwangere geeignete Arbeit zu haben. Daher müsse sie berechtigt sein, nach der Schwangerschaft zu fragen. Die Klägerin berief sich darauf, nach der Schutzfrist wie vorgesehen in der Wäscherei arbeiten zu können (s. hierzu auch Reimers/Wiesinger, AuA 5/03, S._25).

Entscheidung
Nach Ansicht des BAG war die Anfechtung unwirksam. Die erkennbare Zielrichtung der Frage nach der Schwangerschaft bestünde darin, die Bewerberin bei Bejahung der Frage schon wegen der Schwangerschaft, folglich wegen des Geschlechts, nicht einzustellen. Das BAG verwies auf § 611a Abs. 1 BGB, wonach der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen darf. Da die Frage nach einer Schwangerschaft gegen § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße, sei auch keine Anfechtung bei wahrheitswidriger Beantwortung möglich. Das BAG legte § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB, die Umsetzungsnorm der Richtlinie 76/207 EWG, unter Hinweis auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus. Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH begründe die Frage nach einer Schwangerschaft bei (geplanten) unbefristeten Arbeitsverhältnissen einen Verstoß gegen die Richtlinie. Maßgeblich sei, ob die Bewerberin bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf des Mutterschutzes in der Lage ist, die vertraglich vorgesehene Tätigkeit auszuüben. Das vorübergehende Beschäftigungshindernis trete bei wertender Einbeziehung des Schutzzwecks der Richtlinie zurück. Das bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag langfristige Gleichgewicht werde durch das befristete Beschäftigungsverbot nicht entscheidend gestört.

Konsequenzen
Mit dieser Entscheidung verneint das BAG erstmals ein Anfechtungsrecht, wenn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet werden soll, der (sofortigen) Beschäftigung aber Vorschriften des Mutterschutzes entgegenstehen. Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage (BAG, Urt. v. 1.7.1993 ? 2 AZR 25/93, BAG AP § 123 Nr. 36) ist damit überholt.
Diese Entscheidung ist zu begrüßen und verdeutlicht zugleich die wachsende Bedeutung des Europarechts. Wie nunmehr auch das BAG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH feststellt, erfordert es der Schutzzweck der Richtlinie, der Bewerberin auf Fragen zur Schwangerschaft ein ?Recht zur Lüge? einzuräumen, wenn der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags geplant ist.

Praxistipp
Dem Urteil ist allerdings nicht zu entnehmen, dass nach einer Schwangerschaft bei Abschluss eines Arbeitsvertrags überhaupt nicht mehr gefragt werden darf. Das BAG gibt in seinen Entscheidungsgründen eine Differenzierung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen vor. So ließe sich im Umkehrschluss folgern, dass bei einem befristeten Arbeitsverhältnis das BAG dem Interesse des Arbeitgebers Vorrang einräumen würde, wenn ein Beschäftigungsverbot besteht und die Arbeitnehmerin die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht ausüben kann. Ob eine solche Differenzierung nach der Änderung der Richtlinie 76/297 EWG durch die Richtlinie 2002/73 EG am 23.9.2002 zukünftig haltbar ist, erscheint indes zweifelhaft. Denn nach der Änderung der Richtlinie gilt bereits jede ?ungünstige Behandlung? einer Frau im Zusammenhang mit der Schwangerschaft als Diskriminierung.

Richterin Dr. Alexandra König, Halle (Saale)


Quelle: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

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