Wirtschaftskrise bei Arbeitsgerichten angekommen
16.05.2009
Mainz (dpa/lrs) - Die Wirtschaftskrise ist bei den rheinland- pfälzischen Arbeitsgerichten angekommen. Immer mehr Arbeitnehmer wehren sich gegen eine Kündigung oder ausbleibende Lohnzahlungen. Die Arbeitsgerichte befürchten, dass die Klagewelle nach Auslaufen der Kurzarbeit-Phase weiter an Fahrt aufnimmt. Nach Zahlen des Landesarbeitsgerichts sind seit Februar 2009 die Eingangszahlen in der Arbeitsgerichtsbarkeit insgesamt deutlich gestiegen. Der Zuwachs sei sowohl bei Kündigungsschutz- als auch bei Zahlungsklagen über Lohn und Gehalt zu verzeichnen, sagte Sprecherin Maria Vonderau in Mainz bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Beim Landesarbeitsgericht sei derzeit ein Anstieg der Eingangszahlen um knapp 17 Prozent zu verzeichnen. Eine Aufstockung bei den Richterstellen ist laut Vonderau zunächst nicht zu erwarten.
Und wie bewältigen die Arbeitsrichter den Ansturm? «Da wird in die Hände gespuckt», sagte Vonderau.
Im Arbeitsgericht MAINZ ist die Zahl der Verfahren seit Anfang des Jahres um rund ein Viertel in die Höhe geschnellt. «Der Anstieg ist deutlich spürbar und es ist davon auszugehen, dass dies mit der Wirtschaftskrise zusammenhängt», sagte Sprecherin Ruth Lippa. Zwar seien in dieser Statistik die Kündigungsschutzklagen nicht gesondert aufgeführt. Sie machen jedoch erfahrungsgemäß einen Anteil von rund 60 Prozent aus. «Derzeit können wir noch einiges auffangen mit persönlichem Einsatz und Mehrarbeit», sagte Lippa.
Nach ihrer Einschätzung könnten die Zahlen weiter steigen, wenn die Phase der Kurzarbeit ausläuft und viele Firmen dann doch noch Stellen abbauen. Da aus Spargründen keine Aufstockung des Personals in Sicht sei, könnte dann die Verfahrensdauer steigen, befürchtete sie.
Auch das Arbeitsgericht TRIER merkt eine deutliche Zunahme von Verfahrenseingängen. Seit März habe die Zahl der eingereichten Klagen um etwa ein Drittel zugenommen, sagte der Direktor des Arbeitsgerichts, Karl-Heinz Radünzel. Vor allem mehr geworden seien Kündigungsschutz-Verfahren. Den Grund dafür sieht Radünzel in der Wirtschaftskrise und der steigenden Zahl von Entlassungen. Im vergangenen Jahr hatte das Gericht 1936 Fälle bearbeitet, 2007 waren es 2080 Fälle gewesen.
Beim Arbeitsgericht KAISERSLAUTERN gibt es noch keine dramatische Zunahme bei den Kündigungsschutzklagen, ein Plus ist allerdings schon zu verzeichnen. «Es hält sich noch im Rahmen», sagte Gerichtssprecher Alexander Benra. «Das dürfte daran liegen, dass viele Firmen derzeit noch auf Kurzarbeit setzen und versuchen, Kündigungen zu vermeiden.» Allerdings habe es im Februar etwa im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Plus von etwa einem Viertel gegeben.
«Noch gibt es keine großen Entlassungswellen bei großen Firmen», sagte Benra. Wenn das richtig losgehe, werde auch die Zahl der Kündigungsschutzklagen deutlich ansteigen. Das Kaiserslautern Arbeitsgericht hat auch eine Zweigstelle in Pirmasens. Es verfügt an beiden Gerichten zusammen über 5,5 Richterstellen.
Das Arbeitsgericht LUDWIGSHAFEN registriert eine deutlich gestiegene Zahl von Fällen, in denen sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung wehren. «Wir haben im ersten Quartal des laufenden Jahres gegenüber dem ersten Quartal 2008 45 Prozent mehr Verfahren, was Kündigungen angeht», sagte Gerichtssprecher Michael Fleck. Bei den Gründen könne er nur mutmaßen, die Wirtschaftskrise sei aber sicher «mit ursächlich». Wie sich die Zahlen künftig entwickelten, sei nicht abzusehen. «Ob es mehr wird, hängt schlicht und einfach damit zusammen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt.» Er erwarte aber keinen Rückgang auf das Niveau des Vorjahres.
An der bei den Gerichtsverhandlungen herrschenden Atmosphäre hat sich nach Flecks Beobachtung nichts geändert. Sie sei immer mehr oder weniger gereizt. «Die Parteien haben einen Konflikt, der vor Gericht ausgetragen wird. Dass das in Ruhe geschieht, kann man nicht immer sagen.»
Nach Zahlen des Landesarbeitsgerichts hatten auch die Richter am Arbeitsgericht KOBLENZ und der Außenstelle Neuwied mehr Akten auf dem
Tisch: Seit 1. Februar liege dort das Plus der eingehenden Klagen bei elf Prozent.
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