Niemand ist frei von Fehlern, und auch die Vorgesetzten sind es nicht. Wie sagst du ihnen auf angemessene Weise, dass dir etwas auf der Seele liegt, was sie, ihre Arbeit oder deinen Job betrifft? Unsere Tipps sollen dir helfen, Kritik am Chef souverän rüberzubringen.

Den Chef kritisieren – ja oder nein?

Kritik ist auf allen Hierarchieebenen oft eine Gratwanderung. Sie kann Verbesserungen bewirken, die gegenseitige Wertschätzung stärken und zu deiner persönlichen Entwicklung beitragen. Sie kann aber auch Risiken bergen. Was, wenn du deinen Job gefährdest oder deinen Chef verärgerst? Ist er überhaupt kritikfähig oder nimmt er alles zu persönlich? Ein Chef, der Kritik als Chance zur Verbesserung versteht, kann eine wertvolle Ressource sein. Aber nicht jeder kann eben damit umgehen. Dann gilt es, besonders behutsam und sachlich vorzugehen.

Der richtige Zeitpunkt und das passende Umfeld dafür sind wichtig! Oft ergibt er sich nach Abschluss eines Projekts, bei einem Vier-Augen-Gespräch oder ganz offiziell beim Mitarbeitergespräch. Doch vergewissere dich zuvor, ob deine Kritik auch gerechtfertigt ist. Ist sie Mittel zur Verbesserung oder nur ein Ausdruck momentaner oder persönlicher Frustration? Kritik zielt darauf ab, die Ursache eines Problems anzusprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Ziel ist, die Arbeitssituation zu verbessern – nicht, jemanden zu beschuldigen.

Wütende Mitarbeiterin deutet mit Zeigefinger in Kamera - Kritik am Chef
Bildquelle: www.istockphoto.com / AntonioGuillem

Die Kunst der Kritik: Zehn Tipps für den Arbeitsalltag

Zehn Dinge auf einmal? Ganz schön viel. Nicht verzagen: Vieles weißt du erfahrungsgemäß längst. Diese Tipps sollen dir die grundsätzliche Richtung in der Gesprächsführung vor Augen führen: Bleib sachlich, informell und lösungsorientiert. Und suche auf jeden Fall das direkte, persönliche Gespräch mit deinem Vorgesetzten.

1. Die Argumentation vorbereiten

Geh gut vorbereitet ins Gespräch mit deinem Chef oder deiner Chefin. Sammle Fakten und konkrete Beispiele aus dem Arbeitsalltag, um deine Kritikpunkte zu untermauern. Aber nimm auch keine lange „Mängelliste“ mit. Nutze das Gespräch lieber für einen konkreten Aspekt. Vermeide möglichst auch Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen oder Querschüsse wie „Kollege X sieht das übrigens auch so!“. Bleib bei der Sache und stelle stets einen Bezug zu dir und zu deiner Arbeit her.

2. Mündlich kritisieren

Schriftliches geht unter Umständen in die Personalakten ein und kann manchmal auch zu Missverständnissen führen. Ein direktes Gespräch mit dem Vorgesetzten ist einfach vertrauensvoller und persönlicher. Es ermöglicht sofortiges Feedback und eine schnelle Klärung.

3. Den Perspektivenwechsel üben

Versetze dich auch in die Lage deines Chefs: Was kann er nicht wissen oder nicht verstehen? Was kann ihn persönlich verletzen oder enttäuschen? Welche Erwartungen hat er an dich? Wichtig auch: Wie könnte er argumentieren? Dies hilft dir, deine Punkte empathisch, klar und verständnisvoll zu vermitteln.

4. Zeitpunkt und Rahmen wählen

Suche ein ruhiges Umfeld und einen passenden Moment, um das Gespräch zu führen. Wenn viel los ist, bitte vielleicht sogar um einen Termin. Vorteil: Bis dahin hast du die Chance, zur Sachebene zurückzukehren, wenn dich ein Umstand oder Aspekt emotional fordert – kurz: wenn du stinkwütend bist.

5. Die Sachebene halten

Damit wären wir bei einem Punkt, der nicht immer leichtfällt. Konzentriere dich stets auf die Fakten. Vermeide persönliche Angriffe und bleib sachlich. Du möchtest ja mit deinem Chef auf Dauer zusammenarbeiten können.

6. Eine klare Sprache nutzen

Verwende Ich-Botschaften im Austausch mit deinem Chef: „Ich habe den Eindruck, dass …“, „Ich kann mir vorstellen, dass …“, „Ich würde mir wünschen, dass …“, „Ich könnte mir folgende Lösung vorstellen: …“. So kannst du deine Gefühle und Gedanken ausdrücken, ohne zu verallgemeinern oder jemanden persönlich zu beschuldigen.

Mitarbeiter im Gespräch im Chefin - Kritik am Chef
Bildquelle: www.istockphoto.com / fizkes

7. Lösungsorientiert bleiben

Kritik ist das eine, Vorankommen das andere. Bringe Vorschläge zur Verbesserung im Gespräch mit. Lass dich nicht erst dazu auffordern à la „Machen Sie es doch besser!“. Dies zeigt deinem Chef, dass du dir über die Situation hinaus Gedanken gemacht hast und an einer gemeinsamen Lösung interessiert bist.

8. Höflichkeit bewahren

Bleib höflich, respektvoll und fair, denn so erwartest du ja auch, dass man dich behandelt. Achte auch auf deine Körpersprache und den Tonfall im Gespräch. Versuche, immer wieder auf die Sachebene zurückzukommen, auch wenn dein Gegenüber das nicht so gut kann.

9. Auf Konterkritik vorbereitet sein

Rechne damit, dass dein Chef auch dich und deine Arbeit oder dein Verhalten kritisieren könnte. Vielleicht sieht er ja Dinge und Zusammenhänge, die dir noch nicht bewusst sind. Sei offen dafür und nimm die Punkte ernst. So kann ein konstruktiver Dialog entstehen, der von Respekt und Fairness geprägt ist. Nutze das Feedback, um an dir zu arbeiten. Sieh es als Chance, dich weiterzuentwickeln und besser zu werden.

10. Vereinbarungen treffen

Vereinbare abschließend mit deinem Chef konkreten Schritte oder Ziele. Sollte sich nicht sofort eine Lösung ergeben, überlegt gemeinsam vielleicht Zwischenschritte und vereinbart ein Folgegespräch zum Status quo.

Gespräch Mitarbeiter - Chefin kritisieren
Bildquelle: www.istockphoto.com / Serhii Hryshchyshen

Kritik am Chef: Was, wenn’s schiefgeht?

Wenn deine wohlüberlegte Kritik nicht so ankommt, wie du erhofft hast, können die Folgen im Job vielfältig sein: Praktisch können die Reaktionen von kühler Distanzierung bis hin zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen reichen. Das kann für dich äußerst belastend sein und auch das Arbeitsklima im Betrieb schädigen. In manchen Fällen kann es für Mitarbeiter klüger sein, sich mit kritischen Äußerungen eher zurückzuhalten, insbesondere dann, wenn das Risiko negativer Folgen eher hoch ist. Wie gesagt: Es ist eine Gratwanderung! Allein aufgrund deiner konstruktiven Kritik darf dir dein Vorgesetzter natürlich nicht die fristlose Kündigung auf den Tisch legen, doch die zwischenmenschliche Beziehung kann dadurch leider dauerhaft und nachhaltig beschädigt werden.

Denn letztendlich entscheidet dein Chef, was mit der Kritik geschieht. Solcher Dynamik solltest du dir bewusst sein: „Love it, change it – or leave it!“  Deine Zukunft liegt vielleicht ohnehin nicht in einem Unternehmen, das hier falsche Grundlagen schafft.

Artikel-Tipp: Warum sich ein Jobwechsel lohnt

Bald Führungskraft: Wie nimmst du selbst Kritik an?

„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“  – das Sprichwort gilt auch für den eigenen Umgang mit Kritik. Solltest du selbst Führungskraft werden, wird dies entscheidend. Zu einem modernen Führungsinstrumentarium gehört auch die Kompetenz von Vorgesetzten, sich in einzelne Mitarbeiter oder in ein Team hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihre Rückmeldung für die eigene Arbeit bedeutet. An solchen Kompetenzen kannst du auf deinem Weg arbeiten. Eine offene Unternehmens- und Feedbackkultur fördert diesen Prozess. Sie hilft, Kritik als Instrument zur Verbesserung zu etablieren. So entsteht ein Umfeld, in dem Wachstum und Erfolg gedeihen können.

Fazit

Kritik am eigenen Chef zu äußern erfordert immer ein wenig Mut und sehr viel Fingerspitzengefühl. Richtig durchgeführt, kann sie jedoch positive Veränderungen im Arbeitsumfeld und auch für dich persönlich auf deinem Entwicklungsweg herbeiführen. Wichtig ist allerdings, dass du den richtigen Ton triffst und für die Perspektive deines Gegenübers offenbleibst, damit du deine eigene Karriere im Unternehmen nicht gefährdest.

Mit einer sachlich orientierten Grundhaltung kannst du dich vielleicht auch – wenn dir professionelle Gesprächsführung liegt – als Moderator zwischen Führungsebene und Mitarbeitern positionieren. Hilfreich ist in diesem Fall ein Kommunikations- oder Moderationstraining. So könntest du dazu beitragen, dass sich die Feedback-Kultur im Unternehmen positiv weiterentwickelt. Offene, ehrliche und faire Rückmeldungen am Arbeitsplatz sind mit Sicherheit ein Gewinn für alle Seiten und sollten heute selbstverständlich sein.


Aktuelle Jobs




Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form (generisches Maskulinum), z. B. „der Mitarbeiter“. Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung. Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.