Ach, was waren das noch für Zeiten:

Pünktlich um 6 Uhr klingelte der Wecker, zack unter die Dusche. Eine halbe Stunde später stand man auf den wieder mal verspäteten Zug wartend am Bahnsteig, in einer Menschentraube. Anderthalb Stunden später stand man dort immer noch. Aber wenn man eines lernt im ÖPNV, dann ist das ja Leidensfähigkeit – und stoische Geduld. Irgendwas kommt irgendwann immer, und so schaffte man es dann noch auf kurz nach acht Uhr ins Büro, um ein paar nette Gespräche mit den bereits bekannten Pendler(leidens)kollegen reicher.

Am Arbeitsplatz erst mal einen heißen Kaffee. Dazu akustisch die immer wiederkehrenden Routinen, die ja so einen beruhigenden Effekt haben können:

Der Kollege erzählte ausschweifend und zugegebenermaßen etwas langatmig von seinen Wochenenderlebnissen. Die Kollegin war schon Montagmorgen um keine interne Lästerei verlegen und wusste zudem den brandheißesten Flurtratsch zu berichten. Der immer gleiche, sozial eingestellte Schreibtischnachbar hat mal wieder das Ausräumen der fertigen Spülmaschine übernommen – denn ansonsten fühlt sich dazu ja keiner berufen.

So funktioniert Bürogemeinschaft.

Und nun lagen acht Stunden Büroalltag vor einem. Ja, man wusste genau, was auf einen zukommt – aber man war nicht allein: Die Arbeitskollegen saßen ja mit im Boot, oder besser: mit im Büro. Gemeinsam durch den Alltag!

Alltags-Sehnsucht

Wer hätte gedacht, dass wir uns all diese kleinen Alltagsroutinen mal zurückwünschen? Sehnsüchtig? Gut, die Bahn dürfte auch gerne nur zehn Minuten Verspätung haben.

Egal: Hauptsache, diese Gewohnheiten könnten einem wieder ein wenig von dem „Normal“-Gefühl zurückbringen, dass es doch da irgendwann mal gegeben hat – vor der Pandemie.

Rausgehen, Leuten begegnen, ohne Angst miteinander reden, lachen – früher das Normalste der Welt. Und jetzt? Jetzt ist Abstand das Gebot der Stunde. Oder eher der Monate.

Was haben wir uns damals beschwert über den öden Alltag, die immer wiederkehrenden Situationen, die ständige Büroroutine, den nervigen Trott mit den Kollegen – um all diesen Dingen jetzt wehmütig hinterherzublicken. Von unseren einsamen Laptop-Arbeitsplätzen zuhause. An unseren unstrukturierten Arbeitstagen aus dem Home-Office. In unseren ziemlich stummen Heimbüros. Während eines unserer unzähligen Online-Teammeetings, über den Tag verteilt. Winke, winke in die Kamera. Die Pandemie macht wehmütig. Und ein bisschen demütig irgendwie auch.

Bleibt nur zu hoffen, dass wir uns – wenn diese Zeiten endlich mal vorüber sind – noch ein wenig darauf besinnen, was uns damals, in der Krise, so gefehlt hat. Und dass wir diesen alltäglichen Begegnungen dann auch wieder einen höheren Stellenwert beimessen. Oft ist es ja so: Erst wenn einem etwas fehlt, wird man sich dessen Wert bewusst. Ich freue mich jetzt schon auf wieder mehr gemeinsam, direkt, vor Ort. Und das darf dann ruhig auch ganz viel Alltagsroutine sein. Hauptsache zusammen.

Eure Veronika


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